Japans Firmen kürzen die Pensionen

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Die Eingriffe zerstören das Vertrauen und die Arbeitskultur, fürchten Experten. Die Gründe: eine alternde Bevölkerung, geringe Anleiherenditen und der Einbruch an den Aktienmärkten in den vergangenen Jahren.

Tokio (Bloomberg). Auf zwei Dinge konnten sich Mitarbeiter japanischer Konzerne stets verlassen: eine Stelle auf Lebenszeit und eine großzügige Betriebspension. Nachdem der garantierte Job schon länger der Geschichte angehört, schrumpfen nun offenbar auch die Pensionsansprüche.

Vorreiter sind die Fluglinie Japan Airlines (JAL) und Mitsubishi Heavy Industries, eines der Kernunternehmen des Mitsubishi-Konzerns. Beide Firmen versuchen, die Pensionen ihrer Mitarbeiter kräftig zu kürzen.

JAL, die größte Fluglinie des Landes, bekam nach ihrer Insolvenz am 18. März das Okay vom japanischen Arbeitsministerium, die Pensionsansprüche um bis zu 50 Prozent zu reduzieren. Betroffen sind 24.000 aktive und ehemalige Angestellte.

Auch Mitsubishi als Vorreiter

Nur wenige Tage später folgte Mitsubishi Heavy mit ähnlichen Ideen: Das Unternehmen verlangte von aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern, Einschnitte bei der Pension hinzunehmen. Die Reduzierungen sollen dabei helfen, den Druck auf die eigene Pensionskasse zu verringern. Der Fonds ist derzeit mit knapp 2,1 Mrd. Euro unterfinanziert.

Die beiden Konzerne sind mit ihren Problemen nicht allein. Die 278 wichtigsten Unternehmen des Landes verzeichneten im Geschäftsjahr 2009 eine Finanzierungslücke von rund 170 Mrd. Euro bei ihren Pensionskassen. Das zeigt eine Studie des Daiwa Institute of Research in Tokio. Die Lücke hat sich seit vergangenem Jahr um 50 Prozent vergrößert.

Als Gründe für diese Entwicklung werden von Experten vor allem drei Punkte angeführt: eine alternde Bevölkerung, geringe Anleiherenditen und der Einbruch an den Aktienmärkten in den vergangenen Jahren.

Fonds in Notlage

„Japans Pensionsfonds befinden sich in einer echten Notlage“, sagt Jacob Kirkegaard, einer der Autoren des im Vorjahr erschienenen Buches „U.S. Pension Reform: Lessons from Other Countries“. „Meiner Prognose nach wird JAL zu einem Präzedenzfall für viele andere Unternehmen – einem Fall, bei dem Mitarbeiter sehr harte Einschnitte hinnehmen müssen.“

Erlaubt sind Kürzungen von Pensionsansprüchen erst seit 2002. Seit damals sind nur sechs Anträge eingegangen. Damit ein Unternehmen einen solchen Antrag stellen kann, müssen mindestens zwei Drittel der Betroffenen die Einschnitte befürworten.

Doch die Anzahl der Anträge könnte mit den ausufernden Kosten der Pensionskassen steigen, sagt Yuuki Sakurai, Vorstandschef von Fukoku Capital Management in Tokio. Dabei dürften auch neue Bilanzregeln eine Rolle spielen. Sie verlangen ab 2012 von Konzernen, die Unterfinanzierung der Pensionsfonds vollständig offenzulegen. Derzeit gibt es die Möglichkeit, die Lücke über mehrere Jahre hinweg zu verbuchen.

„Pläne zunichtegemacht“

Selbst relativ gesunde Unternehmen haben Versuche unternommen, die Rentenauszahlungen an Mitarbeiter zu reduzieren – etwa NTT. Der Konzern, der im Geschäftsjahr 2008 den größten operativen Gewinn des Landes auswies, arbeitet bereits seit sechs Jahren an entsprechenden Plänen.

Da die Regulierungsbehörden dem Vorhaben keinen Segen erteilten, brachte NTT den Fall vor die Gerichte. Beobachter erwarten, dass der oberste Gerichtshof noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen wird.

Experten warnen jedoch, dass das Zusammenstreichen von Pensionsansprüchen die japanische Arbeitskultur vollständig auf den Kopf stellen könnte. Motohiro Morishima, Professor für Arbeitsfragen an der Hitotsubashi University in Tokio, erwartet einen Vertrauensverlust in vielen Konzernen: „Es entsteht bei den Arbeitnehmern der schlimme Eindruck, dass die Firmen schlicht ihre Versprechen nicht halten.“ Das dürfte wiederum die Wettbewerbsfähigkeit des Landes beschädigen, fürchtet der Experte.

Dahinter stehen Einzelschicksale. Zum Beispiel das von Etsuko Hamaya. Sie war Flugbegleiterin bei JAL und ist heute 62 Jahre alt. „Wie können die einfach einen bestehenden Vertrag in den Mülleimer werfen?“, fragt sie verzweifelt. Gehen die Pläne von JAL durch, muss sie im Monat mit rund 450 Euro weniger auskommen: „Alle meine Pläne werden dadurch zunichtegemacht.“

AUF EINEN BLICK

Die Firmenpensionen sind in Japan nicht mehr sicher. Ein Gesetz erlaubt seit 2002 Eingriffe in bestehende Verträge. Genutzt wird es erst jetzt, weil die Pensionsfonds infolge der Finanzkrise Verluste schreiben und unterfinanziert sind. Vorreiter sind nicht nur die insolvente Fluglinie JAL, sondern auch gesündere Unternehmen wie Mitsubishi und NTT. Experten befürchten, dass die traditionell starke Verbundenheit der Arbeitnehmer mit ihren Firmen darunter stark leiden wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.04.2010)

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