Griechen-Krise: "EZB wirft ihre Prinzipien über Bord"

Europaeische Zentralbank hat ein Glaubwürdigkeitsproblem
Europaeische Zentralbank hat ein Glaubwürdigkeitsproblem(c) AP (Michael Probst)
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Die Glaubwürdigkeit der Europäischen Zentralbank ist gefährdet. Sie habe mit dem Verzicht auf ihre strengen Bonitätsregeln den Weg der Geldpolitik verlassen und mische in der Wirtschaftspolitik mit, warnen Kritiker.

Noch im Jänner hatte EZB-Chef Jean-Claude Trichet verkündet, keine aufweichenden Maßnahmen zu setzen, um einzelne Länder zu retten. Nun verzichtet die Europäische Zentralbank für Griechenland auf ihre eigenen strengen Bonitätsregeln. "Die EZB hat eines ihrer hehren Prinzipien über Bord geworfen. Das zeigt, dass die Lage sehr, sehr ernst ist", sagt Thorsten Polleit, Chefvolkswirt von Barclays Capital laut "Welt". Der Schritt der EZB sei eine Notaktion.

EZB nimmt auch Ramsch-Anleihen

Es erschien am Montag fast nur als Randnotiz: Die EZB verkündete, jene Regel außer Kraft zu setzen, nach der sie als Sicherheit für Kredite an Banken nur Staatsanleihen mit einem befriedigenden Bonitätsbewertung annimmt. Die Mindestanforderung für bereits begebene und künftige griechische Staatsanleihen wird bis auf weiteres ausgesetzt. Das heißt mit anderen Worten: Die EZB nimmt nun auch Ramsch-Anleihen.

Der Schritt sei unvermeidlich für die EZB gewesen, sagt UniCredit-Volkswirt Alexander Koch der "Zeit" zufolge: "Griechische Geschäftsbanken refinanzieren sich wohl hauptsächlich über dieses System. Wäre es gekappt worden, wären der kommerzielle Bankensektor Griechenlands am Ende gewesen."

"EZB war nicht der Spielmacher"

Nick Kounis, Chefökonom bei der niederländischen Fortis Bank kritisiert den Kurs der EZB, wie die Finanz-Nachrichtenagentur "Bloomberg" berichtet. Die Zentralbank müsse bereit sein, mehr zu tun. "Die EZB hat sich in technische Arbeiten vertieft, aber sie war nicht wirklich der Spielmacher, als es darum ging, uns aus dem Schlamassel zu ziehen".

Ökonomen sehen die Glaubwürdigkeit der Institution EZB gefährdet. Noch nie zuvor in ihrer elfjährigen Geschichte hat die EZB einen ähnlichen Schritt gesetzt. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer irritiert laut "Welt" vor allem die Tatsache, dass die europäische Notenbank ihren Schwenk mit dem Sparprogramm der Griechen begründet: "Damit hat sie allgemeine wirtschaftspolitische Begründungen in den Vordergrund gestellt und nicht liquiditätspolitische Argumente."

EZB: Unabhängigkeit steht auf dem Spiel

Für Kritiker steht deshalb auch die Unabhängigkeit der Zentralbank auf dem Spiel. Denn die EZB ist der Stabilität des Preisniveaus verpflichtet. Es ist nicht ihre Aufgabe, sich in wirtschaftspolitische Fragen einzumischen. In der Geldpolitik gilt Vertrauen als das wertvollste Kapital der Notenbank, da die Märkte auf Signale der Währungshüter reagieren.

Die Kehrtwende der EZB erhöhe aber die Unsicherheit über den künftigen Kurs der Notenbank, warnt der Commerzbank-Ökonom Michael Schubert laut "Zeit". Dies sei umso bedenklicher, da die EZB vor der gewaltigen Aufgabe steht, die extrem hohe Liquiditätszufuhr Schritt für Schritt einzusammeln.

(phu)

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