Tabubruch: EZB kauft Staatsanleihen

EZB bricht für Euro Tabu und kauft Staatsanleihen
EZB bricht für Euro Tabu und kauft Staatsanleihen(c) DiePresse.com (Sara Gross)
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Die 16 Notenbanken der Euro-Zone kaufen zum ersten Mal seit Einführung des Euro Staatsanleihen von Euro-Ländern. Am Montag wurden erste derartige Geschäfte abgewickelt. Der Schritt ist heftig umstritten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) geht in der schwersten Krise des Euro neue Wege und scheut auch den Tabubruch nicht. Wie die Währungshüter in der Nacht zum Montag in Frankfurt mitteilten, kaufen die 16 Notenbanken der Euro-Zone zum ersten Mal seit Einführung der Gemeinschaftswährung Staatsanleihen von Euro-Ländern. Nur Stunden nach dem Beschluss begannen mehrere nationale Notenbanken damit, Staatsanleihen am Sekundärmarkt zu kaufen - dem Vernehmen nach vor allem Bonds von Problemländern.

EZB gibt ihren Widerstand auf

Zuvor hatten EU und IWF ein gigantisches, 750 Milliarden Euro schweres Rettungsnetz für den Euro gespannt. Über den Umfang der Interventionen, zu denen noch umfangreiche Stützungsmaßnahmen für Geldmarkt und Bankensystem kommen, werde der EZB-Rat noch entscheiden, sagte Notenbankchef Jean-Claude Trichet zu Mittag nach Gesprächen mit anderen ranghohen Zentralbankern bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.

Die Notenbank gibt mit der Entscheidung ihren Widerstand gegen den Ankauf von Staatsanleihen der Euro-Länder auf. Gemäß den Bestimmungen des EU-Vertrages kann sie nur am Sekundärmarkt kaufen und nicht direkt bei den Regierungen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die G-20-Finanzminister begrüßten die Kehrtwende der Frankfurter Währungshüter. Trichet bestätigte, dass nationale Notenbanken in Europa, darunter die Bundesbank, bereits in der Früh mit dem Kauf von Staatstiteln am Sekundärmarkt begonnen hatten. Die Grundsatzentscheidung zum Ankauf der Staatstitel sei bei der EZB zuvor mit "überwältigender Mehrheit" getroffen worden.

EZB finanziert einen Teil der Schulden

Mit dem Ankauf von Staatstiteln finanziert die EZB de facto einen Teil der Schulden, unter denen Griechenland und auch andere Problemländer der Euro-Zone ächzen. Die Notenbanker machten klar, dass sie mit Gegengeschäften, die nicht näher spezifiziert wurden, dafür Sorge tragen wollen, dass sich durch das beschlossene Ankaufprogramm nichts am zinspolitischen Kurs ändert. Trichet sagte in Basel, eine Möglichkeit sei die Hereinnahme von Termineinlagen der Geschäftsbanken. Auf diese Weise könne schnell und effektiv Liquidität wieder abgeschöpft werden.

Die EZB hat sich lange gegen einen Eingriff dieser Art gewehrt, da er in vielen Euro-Ländern und vor allem in Deutschland wegen der daraus resultierenden Inflationsrisiken höchst umstritten ist. Am Finanzmarkt war in den vergangenen Tagen massiv auf einen solchen Schritt der EZB spekuliert worden. Zwischenzeitlich stieg der Kurs des Euro am Devisenmarkt wegen der Hilfen von EU, IWF und EZB wieder über die Marke von 1,30 Dollar.

EZB macht einen Schritt zurück

Die EZB stützt darüber hinaus den zuletzt wieder mit großen Problemen kämpfenden Geldmarkt und das Bankensystem in der Euro-Zone. Schon in den nächsten Tagen will sie ein sechs Monate lang laufendes und an den künftigen Leitzins gekoppeltes Repo-Geschäft wieder einführen. Zudem sollen Dreimonatstender für genügend Liquidität am Interbankenmarkt sorgen und ein Austrocknen der Finanzströme zwischen den Banken verhindern.

Auch der eigentlich schon längst eingeläutete Ausstieg aus den gegen die Finanzkrise eingeführten Sondermaßnahmen wird rückgängig gemacht. Die EZB hatte damals zahlreiche Geldmarktoperationen mit bis zu einem Jahr Laufzeit eingeführt, um den Geldmarkt zu stützen. Einige dieser sogenannten Tender wurden in jüngster Zeit bereits nicht mehr aufgelegt.

"Nur noch deutsche Anleihe war liquide"

Nachdem in den vergangenen Wochen lediglich die bekannten Schuldenprobleme Griechenlands die Debatte bestimmt hatten, schien vergangene Woche das historische Projekt des Euro in Gefahr. Vor dem Euro-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Freitag in Brüssel eskalierte die Lage und zwang die EZB zum Eingreifen.

"Plötzlich waren nur noch deutsche Bundesanleihen liquide, noch nicht einmal mehr gute französische Staatstitel", erklärt ein Euro-Notenbanker die Zwangslage. "Es musste gehandelt werden - ohne Rücksicht auf Verluste." Doch die Stimme der Kritiker wird lauter.

"Könnte der Anfang vom Ende sein"

Thomas Mayer, der Chefsvolkswirt der Deutsche Bank warnt laut "Handelsblatt": "Wenn die EZB Staatsanleihen am Markt kauft, ist das zwar nicht gegen den Buchstaben, aber klar gegen den Geist des Maastricht-Vertrags, soweit es dazu dient, den Druck von Regierungen mit Finanzproblemen zu nehmen. Der Vertrag wurde aufgrund von mangelnder Finanzdisziplin ohnehin schon beschädigt. Wenn die EZB ihn weiter beschädigt, könnte das der Anfang vom Ende der Währungsunion sein".

Es sei Sache der Regierungen, die Schuldenkrise der Peripherie zu lösen - wenn nötig, indem sie den Rahmen für eine geordnete Staatsinsolvenz schaffen.

"Das ist nicht die Aufgabe der EZB"

Auch der Europa-Chefvolkswirt von Barclays Capital, Julian Callow, äußert sich skeptisch. "Es ist nicht die Aufgabe der EZB, Regierungen aus der Klemme zu helfen. Dafür ist der IWF da", sagt Callow dem "Handelsblatt zufolge.

"Aufgabe der EZB ist es, Preisstabilität und die Stabilität des Finanzsektors zu gewährleisten. Zu Letzterem würde beitragen, wenn sie ihre Programme zum Aufkauf von Pfandbriefen ausweiten und verlängern würde. Wenn die Banken weiterhin Pfandbriefe emittieren und der EZB verkaufen können, dann werden sie den Erlös zu einem großen Teil in Staatsanleihen anlegen", so Callow.

(Ag.)

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