Spanien springt über seinen Schatten

Spanien springt ueber seinen
Spanien springt ueber seinen(c) EPA (J.J. Guillén)
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Spät, aber doch: Von Obama und Merkel bedrängt, geht Premier Zapatero auf Kollisionskurs mit den Gewerkschaften und kündigt ein überraschend scharfes Sparpaket an. Die Märkte reagieren erleichtert.

Wien (gau). Von einer „kopernikanischen Wende“ ist im Leitartikel von „El País“ die Rede, vom „größten und radikalsten wirtschaftlichen Richtungswechsel, den jemals eine demokratische Regierung in Spanien vollzogen hat“. Was rechtfertigt solch große Worte? Auf den ersten Blick hat Premier José Luis Rodriguez Zapatero nur konkret gemacht, was er und seine sozialdemokratische Regierung schon Ende Jänner angekündigt hatten: Dass sie in diesem und den kommenden Jahren 50Mrd. Euro einsparen wollen, um das Staatsdefizit von 11,2 Prozent im Vorjahr bis 2013 auf die Maastricht-Grenze von drei Prozent zu bringen.

Nur hat ihnen das damals niemand geglaubt. Der Maßnahmenkatalog blieb vage. Die Analysten waren sich einig: Einschnitte bei den Beamten würde der sanfte, harmoniesüchtige Premier nicht wagen.

Denn das bedeute Konfrontation mit den beiden großen Gewerkschaften, bei denen zwar nur 16 Prozent der Arbeitnehmer Mitglieder sind, aber ein Großteil des öffentlichen Dienstes. Wie schon beim Platzen der Immobilienblase und dem Ausbruch der schweren Krise, die Spanien 20 Prozent Arbeitslosigkeit bescherte, schien Zapatero so lange wie möglich die Augen vor der Realität zu verschließen.

Damit ist jetzt Schluss: Die Löhne der Staatsbediensteten werden noch heuer um fünf Prozent gekürzt, nächstes Jahr ihre Bezüge eingefroren – wie auch die Pensionen, mit Ausnahme der Mindestrenten. 13.000Stellen im öffentlichen Dienst fallen weg.

Eine Babyprämie wird gestrichen. Das Infrastrukturprogramm „Plan España“, das die Krise mit öffentlichen Investitionen bekämpfen sollte, muss mit sechs Milliarden weniger auskommen. Schon bis 2011 sollen damit 15 Mrd. eingespart werden. Am Freitag stimmt das Parlament über all das ab.

Die Gewerkschaften reagieren wie erwartet: Sie sind sauer und stellen die Rute eines Generalstreiks ins Fenster. Das taten sie allerdings schon bei der Ankündigung der Regierung, das Pensionsalter von 65 auf 67 Jahre zu erhöhen. Zu größeren Protesten ist es bis jetzt, ganz anders als in Griechenland, nicht gekommen. Nach ersten Umfragen steht eine Mehrheit der Bevölkerung hinter den Einschnitten im öffentlichen Dienst.

Denn er war bis jetzt der einzige Sektor, der vor der Krise geschützt geblieben war. Auch von der konservativen Opposition hat Zapatero wenig Gegenwind zu erwarten. Sie war es ja, die ihm ständig Zaudern und Realitätsverweigerung vorgeworfen hatte.

„Jetzt reformiert uns der Kapitalismus“

Hintergrund der Kehrtwende Zapateros ist der wachsende internationale Druck. Die Haushaltslage Spaniens macht der ganzen Welt Sorgen. Ein Zahlungsausfall hätte für die europäischen Banken und in der Folge die EU-Konjunktur weit verheerendere Folgen als im Fall Griechenlands. Am Wochenende rief US-Präsident Barack Obama Zapatero an und drängte ihn zu Reformen.

Brüssel fordert eine nachhaltige Konsolidierung, damit die Wirkung des 750-Milliarden-Schutzschirms für Euro-Schuldnerstaaten nicht verpufft. Also stimmte sich Spaniens Premier mit den Kollegen Merkel und Sarkozy ab – und trat vor die Öffentlichkeit.

Die Finanzmärkte reagierten erleichtert. An so fernen Plätzen wie der Wall Street und Frankfurt legten die Börsenkurse zu, der Euro erholte sich, der Risikoaufschlag für spanische Staatsanleihen sank leicht. Angesichts dieser Macht des Faktischen fällt auch die Kritik linker Kommentatoren wenig kämpferisch aus. „Wir waren drauf und dran, den Kapitalismus zu reformieren“, schreibt der Leitartikler der Zeitung „El Público“ elegisch, „und am Ende ist es nun der Kapitalismus, der uns reformiert.“

LEXIKON: SPANIENS KRISE

Das spanische Schuldenproblem hat untypische Ursachen. Der Staat hatte im Boom vernünftig gewirtschaftet und sogar Überschüsse erzielt. Die Schuldenberge hatten Unternehmen und Private aufgehäuft. Zu hohe Lohnabschlüsse machte die Wirtschaft weniger wettbewerbsfähig. Als die kreditfinanzierte Immobilienblase platzte, stieg die Arbeitslosigkeit auf fast 20 und das Budgetdefizit auf über elf Prozent.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2010)

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