Experte: "Die deutsche Staatskrise ist vorprogrammiert"

EuroPaket ifoChef Sinn ortet
EuroPaket ifoChef Sinn ortet(c) AP (Matthias Schrader)
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Der deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn wirft Kanzlerin Merkel vor, zu wenig für die Interessen Deutschlands getan zu haben. "Wir stürzen uns in ein unkalkulierbares Abenteuer", beurteilt er den Euro-Rettungsschirm.

ifo-Chef Hans-Werner Sinn warnt vor den gefährlichen Folgen des Euro-Rettungspaketes und kritisiert das Vorgehen der deutschen Regierung hart. "Wir stürzen uns mit dem neuen Gewährleistungsgesetz in ein unkalkulierbares Abenteuer", sagte Sinn der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). Europa drohe, "eine gewaltige Schuldenblase aufzubauen, die mit einem gewaltigen Knall platzen wird".

"Deutschland steht für die anderen gerade"

Zugleich warf der Ökonom der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, zu wenig für die Interessen Deutschlands getan zu haben. Die deutsche Staatskrise sei "vorprogrammiert", sagte Sinn. Aus seiner Sicht hätte sich Merkel gegen den Rettungspakt wehren müssen. "Der Pakt bedeutet nichts anderes, als dass Deutschland für die Schulden anderer Länder geradesteht", sagte Sinn. "So sehr ich den Euro grundsätzlich für richtig halte: Ich verstehe, wenn sich nun viele Deutsche hereingelegt fühlen."

Das neue Gesetz bedeute zwar nicht, dass Deutschland sofort zahlen müsse, weil zunächst nur Kredite für bedrohte Länder abgesichert würden. Bevor Verluste kämen, drohten aber andere Probleme. "Der Rettungspakt verzerrt den Kreditfluss über die Kapitalmärkte", sagte Sinn. "Zum einen verringern wir unsere eigene Bonität, indem wir haften, und müssen in Zukunft entsprechend höhere Zinsen für deutsche Staatsschulden zahlen. Zum anderen senken wir durch unsere Bürgschaften die Zinsen der Schuldenländer." Dadurch werde solchen Ländern geholfen, deutsches Sparkapital abzuziehen.

"Schuldenblase nicht weiter aufblähen"

Aus Sicht von Sinn gilt es nun, die Schuldenblase angeschlagener Länder nicht weiter aufzublähen, sondern langsam abschlaffen zu lassen, so dass sie nicht platzen könne. "Man kann schon helfen, wenn ein Land in Not ist, aber man braucht einen Pakt, bei dem die Inhaber der Staatspapiere an den Lasten einer Staatsinsolvenz mitbeteiligt werden. Wie bei einem privaten Konkurs auch", sagte Sinn. Bevor Geld fließen könne, müssten Altgläubiger auf einen Teil ihrer Ansprüche verzichten. "Das würde die Gläubiger veranlassen, bei der Vergabe der Mittel vorsichtiger zu sein und höhere Zinsen zu verlangen."

(Ag.)

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