Ölpest: BP droht Milliardenschaden und mieses Image

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oelpest droht Milliardenschaden mieses(c) Reuters (Lee Celano)
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BP kämpft gegen eine Welle der Kritik. Finanziell dürfte es der Konzern überstehen. In der Bevölkerung wächst das Misstrauen, dass BP versuche, das wahre Ausmaß der Tragödie zu verschleiern.

Wien. Es ist stockfinster und bitterkalt. Bei fünf Grad Celsius gibt es hier, 1500 Meter unter der Wasseroberfläche, nur wenig, was der Mensch begehren könnte. Erst wenn eine dicke Schlammschicht und eine harte Salzkruste durchbrochen sind, finden Energiekonzerne das, was sie bei sogenannten „Ultra-Deep-Water“-Bohrungen kilometertief unter der Erde suchen: brennend heißes Erdöl.

Heute, da die meisten konventionellen Öllagerstätten bekannt und großteils ausgeräumt sind, müssen sich die BPs und Exxons dieser Welteinen Schritt tiefer vorwagen, um ihr Geschäft zu machen. Und sie tun es mit Überzeugung. Noch im November brüstete sich David Rainey, BP-Vizechef für Exploration am Golf von Mexiko, vor dem US-Senat seines „sicheren und umweltschonenden“ Offshore-Abenteuers.

Erdöl erreicht US-Küste

Wenige Monate später will BP-Chef Tony Hayward davon wohl nichts mehr hören. Seit der Explosion auf der BP-Bohrinsel „Deepwater Horizon“ am 20. April und ihrem darauffolgenden Untergang, sprudeln täglich mindestens 800.000 Liter Erdöl aus einem Bohrloch am Meeresgrund in den Golf von Mexiko. Am Freitag erreichte das Öl erstmals die Küste von Louisiana. Die Umweltkatastrophe bedroht Fauna und Flora und damit auch die Lebensgrundlage der Fischer und Hoteliers in der Region, aus der die USA ein Viertel ihrer Meeresfrüchte beziehen. BP-Chef Hayward hingegen kämpft nun seit Wochen nicht nur gegen das sprudelnde Erdöl, sondern auch um das Image seines Konzerns.

„Wir können BP nicht trauen“

Denn der öffentliche Druck auf BP steigt. Nach dem Defekt der Leitung hätte ein sogenannter „Blowout-Preventer“, ein meterhohes gusseisernes Ventil, das Auslaufen verhindern sollen. Warum der Mechanismus nicht funktionierte, weiß derzeit niemand. Eine Fernbedienung, mit der man das Ventil auch von Land aus hätte schließen können, hat sich BP nicht geleistet. Anders als in Norwegen und Brasilien ist diese Sicherheitsvorkehrung in den USA nicht Pflicht.

In der Bevölkerung wächst zudem das Misstrauen, dass BP versuche, das wahre Ausmaß der Tragödie zu verschleiern. „Wir können BP nicht trauen“, sagte der US-Abgeordnete Edward Markey. Am Donnerstag aufgetauchte Videos sollen beweisen, dass das Bohrloch immer noch stark leckt. Kurz zuvor hatte der Konzern behauptet, er pumpe 5000 Fass (156 Liter) pro Tag aus dem defekten Bohrloch ab. So viel, wie nach BP-Schätzungen täglich aus dem Loch entwichen waren.

Experten gehen hingegen von bis zu 70.000 Fass am Tag aus, womit das Unglück im Golf von Mexiko die bisher größte US-Ölkatastrophe in den Schatten stellen würde. 1989 lief der Öltanker Exxon Valdez vor der Küste Alaskas auf Grund und verseuchte die Küstengebiete mit 41 Mio. Liter Erdöl. Auch US-Präsident Barack Obama schießt mittlerweile scharf und fordert die Herausgabe des Videos. Dem Demokraten könnte aufgrund des Öl-Debakels selbst ein Liebkind verloren gehen. Vor wenigen Wochen hatte Obama die Ausweitung der Off-shore-Bohrungen vor US-Küsten angekündigt. Ein Schritt in Richtung Republikaner, um seinem Energiegesetz die nötige Mehrheit zu sichern. Heute ist von einer Ausweitung der Bohrungen keine Rede mehr. Dabei sind derartige Unfälle keine Seltenheit. Allein vor der Küste Nigerias gibt es jährlich Zwischenfälle in der Größenordnung des Valdez-Tankers, berichtet das „Time Magazin“. Fern von Amerika und fernab der Augen der Weltöffentlichkeit.

Kosten werfen BP nicht um

Alle bisherigen Versuche, der Ölkatastrophe in den USA Herr zu werden, sind gescheitert. Weder die stählerne Käseglocke noch umstrittene Chemikalien haben den erwünschten Erfolg gebracht. Am Sonntag will BP das leckende Bohrloch mit Schlamm verstopfen. Die Lösung wird wohl erst eine Entlastungsbohrung bringen. Frühestens in zwei Monaten.

Bis dahin sprudelt das Öl weiter ins Meer und verursacht dem Konzern täglich Kosten von 33 Mio. Dollar. In Summe dürften die Schäden geschätzte zwölf Mrd. Dollar ausmachen. Zusätzlich zu den Kosten für die Wiederherstellung der Umwelt kommen auf BP aber auch tausende Sammelklagen der betroffenen Fischer und Reiseveranstalter zu. Finanziell dürfte das dennoch zu stemmen sein. Erstens hat der Energieriese allein in den ersten drei Monaten 2010 5,6 Mrd. Dollar Gewinn gemacht und wird heuer trotz allem in den schwarzen Zahlen bleiben. Laut Analysten sind Kosten bis zu 20 Mrd. Dollar „kein Problem“.

Zweitens lassen sich die Kosten geschickt auf mehrere Jahrzehnte verteilen. Auch das weiß BP-Chef Hayward spätestens seit dem Untergang von Exxon Valdez. Heute, mehr als zwanzig Jahre später, leidet die Region immer noch an den Folgeschäden. 2,3 Mrd. Dollar musste der Konzern einst für die Umweltschäden berappen. Die Rechsttreitigkeiten mit den betroffenen Einwohnern verschleppte Exxon jedoch 19 Jahre lang. Von fünf Mrd. Dollar an Schadenersatzzahlungen, zu denen das Unternehmen ursprünglich verdonnert wurde, musste Exxon vor zwei Jahren letztlich 500 Mio. bezahlen. Öl erreicht US-Küste Seite 10

AUF EINEN BLICK

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko kommt BP teuer zu stehen. Die Gesamtschäden werden auf zwölf Mrd. Dollar geschätzt. Finanziell kein großes Problem, hat BP doch allein im ersten Quartal 5,6 Mrd. Dollar Gewinn gemacht. Kosten bis zu 20 Mrd. Dollar sehen Analysten gelassen entgegen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2010)

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