PIGS-Anleihen bringen Frankreich unter Druck

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Haushaltsminister François Baroin schwört seine Landsleute angesichts der Schuldenexplosion auf ein heftiges Sparprogramm ein und will die Abhängigkeit des Landes von den internationalen Märkten verringern.

Paris/Berlin (red./ag.). Frankreich beginnt offenbar, seine Staatsbürger auf ein drastisches Sparprogramm einzustimmen: „Wir müssen unser AAA-Rating behalten“, sagte Haushaltsminister François Baroin am Sonntag im französischen TV-Sender Canal+. Um dann hinzuzufügen, dieses Vorhaben sei ein „ehrgeiziges Ziel“ und könne „unter Umständen schwierig werden“. AAA ist die Höchstnote, die Ratingagenturen für die Kreditwürdigkeit eines Landes vergeben. Von der Bonitätseinstufung hängt die Höhe der Zinsen ab, die ein Land für seine Staatsschuld bezahlen muss.

Die Aussage sorgte – zwei Tage nach der Rückstufung Spaniens auf die zweitbeste Stufe AA+ durch die Agentur Fitch – für Verwunderung, weil Frankreich in der Liste der abstufungsgefährdeten Euroländer bisher nicht gerade weit vorne zu finden war. Das AAA-Rating des Landes war von Fitch erst am 30. März bestätigt worden. Sie steht aber offenbar in Zusammenhang mit der Verkündung von drastischen Sparmaßnahmen durch die Regierung. Erste Ankündigungen – etwa das Hinaufsetzen des Pensionsantrittsalters auf 62 Jahre – hatten im Land zu heftigen Protesten geführt. Derzeit gehen Franzosen im Schnitt mit 58,9 Jahren in Pension.

Für das Sparprogramm, das Frankreich in den kommenden Jahren schnüren muss, sind aber noch drastischere Maßnahmen notwendig. „Wir müssen unsere Verschuldung auf Dauer verringern, damit wir nicht zu stark von den Märkten abhängig sind“, sagte Baroin. Das Defizit, das heuer 8,2 Prozent des BIP erreichen wird, soll im kommenden Jahr auf sechs und 2012 auf 4,6 Prozent abgesenkt werden. 2013 soll beim Defizit die Maastricht-Grenze von drei Prozent unterschritten werden. Das gilt freilich als unwahrscheinlich, die Pläne werden generell als viel zu optimistisch gesehen.

Die EU-Kommission hat auch schon kritisiert, dass die dem Budgetsanierungsprogramm zugrunde gelegten Wirtschaftsprognosen zu hoch angesetzt seien. Paris wird seine Konsolidierungsmaßnahmen also verschärfen müssen – und bereitet dafür offenbar nun den Boden vor.

Gefahr könnte dem AAA-Rating Frankreichs auch von außen drohen: Französische Banken halten sehr große Volumina an Staatsanleihen der „PIGS“-Länder (Portugal, Spanien, Irland Italien, Griechenland). Im gerade zurückgestuften Spanien sind es 169 Mrd. Euro, in Italien sind es sogar 393 Mrd. Euro – ein Fünftel des französischen BIP. Sollte eines dieser Länder in ernste Probleme geraten, dann würde Frankreich – hinter Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone – in eine veritable Banken- und Staatskrise schlittern.

Wirtschaftsregierung für Europa?

In Deutschland wird bereits heftig kritisiert, dass die französischen Banken ihre Problem-Anleihen in großem Stil der Europäischen Zentralbank „umhängen“, seit diese den Tabubruch begangen hat, auch Staatsanleihen der Euroländer aufzukaufen. Bisher soll die EZB schon 40 Mrd. Euro an solchen Anleihen in ihre Bücher genommen haben. Trotzdem ist das bei den französischen Banken verbleibende Risiko immer noch enorm.

Dieses Vorgehen Frankreichs hat zu starken Dissonanzen mit der größten Euro-Volkswirtschaft geführt: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy begegnen einander neuerdings ein wenig unterkühlt. Frankreich sucht nun, wie die französische Zeitung „Le Monde“ am Montag berichtet, nach Wegen, um „Deutschland zurück ins europäische Spiel zu holen“. Etwa mit dem Vorschlag, eine „europäische Wirtschaftsregierung“ zu bilden. Die soll laut „Le Monde“ aus den Staats- und Regierungschefs der Eurozone zusammengesetzt werden, ein eigenes Sekretariat erhalten und künftig die gesamteuropäische Wirtschaftspolitik vorgeben.

Französischen Zeitungsberichten zufolge ist die Regierung überzeugt, dass Deutschland ins Boot geholt werden könnte. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich zwar auch schon für eine europäische Wirtschaftsregierung ausgesprochen, später aber präzisiert, dass sich diese nicht auf die Eurostaaten beschränken dürfe, sondern alle 27 EU-Länder umfassen müsse.

Die Franzosen wollen Deutschland jetzt mit einigen Zugeständnissen ködern, etwa mit der Zusage, den Chef der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, als Nachfolger des Franzosen Claude Trichet an die Spitze der EZB zu hieven. Weber gilt als strikter Verfechter des Stabilitätspakts.

AUF EINEN BLICK

Frankreich macht sich Sorgen um sein AAA-Rating: Haushaltsminister Francois Baroin sagte, es werde schwierig sein, dieses zu halten. Hintergrund der Aussage könnte sein, die Bevölkerung auf die Ankündigung eines bevorstehenden drastischen Sparprogramms vorzubereiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2010)

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