Mafia verdient immer mehr Geld mit Produktfälschungen

Mafia verdient immer mehr
Mafia verdient immer mehr(c) AP (Eugene Hoshiko)
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Ein täuschend gutes Geschäft: Mehr Profit, weniger Risiko - Mafia & Co verdienen immer mehr Geld mit Produktfälschungen und spannen Luxuskonzernen die kaufkräftige Kundschaft aus.

Sieben Euro für ein Täschchen der Luxusmarke Louis Vuitton – da muss man ja fast zugreifen. Das dachte sich wohl jene österreichische Touristin, die im Juni am Strand von Jesolo die Gelegenheit beim Schopf packte. Die Ordnungshüter brummten ihr für den Erwerb einer Fälschung tausend Euro Strafe auf. Die 65-Jährige hatte zwar Glück: Der Hoteliersverband von Jesolo stellte sich hinter sie und erstattete ihr das Geld zurück. Der zuständige Stadtrat will aber auch in Zukunft keine Gnade walten lassen. Unwissenheit schützt in diesem Fall nämlich nicht vor Strafe: Unglaubwürdig niedrige Preise gelten als eindeutige Erkennungsmerkmale von Fälschungen.

Etwas schwieriger ist das schon mit „Super Copies“. Das sind Fälschungen, die dem Original so nahe kommen, dass nicht einmal Profis sie enttarnen. Und die, glaubt man Experten, zunehmend zur Finanzierungsquelle der Mafia, aber auch terroristischer Organisationen wie der al-Qaida werden. Und Herstellern von sündhaft teuren Luxusmarken das Leben schwer machen.

Das Geschäft mit Produktfälschungen sei mittlerweile profitabler und gleichzeitig weniger risikoreich als der Handel mit Drogen. Das geht aus einer Studie der Expertin Barbara Stöttinger von der Wirtschaftsuniversität Wien hervor. Die OECD schätzt, dass 2007 bis zu 250 Milliarden US-Dollar mit gefälschten Produkten umgesetzt wurden. Das entspricht fast zwei Prozent des Welthandels. Die Internationale Handelskammer sieht den Anteil von Produktfälschungen am Welthandel sogar bei fünf bis sieben Prozent. Amtliche Statistiken gibt es freilich keine.


Partners in Crime. „Sie finden heute kaum jemanden mehr, der keine gefälschten Produkte kauft“, sagt Barbara Stöttinger von der Wirtschaftsuniversität Wien. „Und die Nachfrage nach gefälschten Produkten hängt nicht von Einkommen, Bildung oder Wissen darüber ab.“ Im Gegenteil: Konsumenten werden mehr und mehr „Partners in Crime“, sie kaufen Fälschungen also in vollem Bewusstsein. Die Erklärung ist einfach: „Sie bekommen das Prestige, ohne dafür zu bezahlen.“ Oder zumindest, ohne voll zu zahlen. Denn die „Super Copies“ seien laut Stöttinger oft nur um fünf bis zehn Prozent billiger als die Originale.

Stöttinger konzentriert sich auf jene Konsumenten, die wissentlich Fälschungen kaufen. Das Konsumentenverhalten hat sich, erzählt sie, in den letzten Jahren stark verändert. „Sie schauen sich das Original heute ganz genau an und suchen dann gezielt nach Fälschungen, die dem am nächsten kommen.“

Die werden immer mehr – und immer besser. Produktkopien sind heute so ausgeklügelt, dass sich auch jene Menschen dafür interessieren, die sich eigentlich Originale leisten könnten. Einige Designer lassen mittlerweile selbst in klassischen Billiglohnländern produzieren, und in Designer-Outlets, besonders im Internet, sei es auch nicht sicher, dass man es mit Originalen zu tun hat. „Das verwirrt die Konsumenten und sorgt natürlich für Frustration. Sie beginnen sich zu fragen: Warum soll ich so viel Geld für ein Original ausgeben, wenn es niemand als solches erkennt?“

Stöttinger erzählt von Fällen, in denen Kunden gefälschte Louis-Vuitton-Taschen zur Reparatur gebracht haben und der Hersteller nicht bemerkt hat, dass es sich um eine Kopie handelt. „Früher haben Unternehmen die Fälschungsindustrie nicht als verlorenen Umsatz betrachtet, weil sich diese Kunden die Originale ohnehin nicht hätten leisten können. Aber an diesem Punkt wird es für die Hersteller kritisch.“ Denn die „Super Copies“ sind nur geringfügig billiger. Mit nachgeahmten Louis-Vuitton-Taschen, die regulär um die 800 Euro kosten, verdienen die Fälscher viel Geld.

Die Marke mit dem auffälligen Muster zählt laut der Nichtregierungsorganisation „International Anti Counterfeiting Coalition“ (IACC) zu den Top Ten der am häufigsten gefälschten Marken der Welt. Auf Anfrage gibt sich der Luxuskonzern bedeckt. Man wolle dem Thema nicht noch mehr Aufmerksamkeit widmen, heißt es.

Eine vorgefertigte Pressemeldung muss reichen. Da zitiert der Konzern, der neben Louis Vuitton auch Marken wie Christian Dior, Donna Karan oder Kenzo unter seinem Dacht vereint, aus dem Kampf gegen die Produktfälscher: 2008 wurden mit Hilfe der Polizei durchschnittlich 30 Razzien pro Tag durchgeführt. 400 zwielichtigen Internetseiten wurde der Saft abgedreht. Am 20. März wurden auf einen Schlag 140.000 gefälschte Louis-Vuitton-Schals und 12.000 Meter gefälschter Stoff beschlagnahmt. Ein Schlag ist dem Konzern auch gegen Ebay gelungen: Ein Pariser Gericht verdonnerte das Internetauktionshaus zu einer Strafe von 80.000 Euro, weil es Kunden zu gefälschten Produkten des Konzerns geleitet habe.


Von Adidas bis Zigaretten. Aber nicht nur Louis Vuitton kämpft gegen die Fälscherbanden. Unter den Top Ten der am häufigsten kopierten Marken finden sich neben dem Computerlabel Microsoft und den Sportmarken Nike und Adidas auch das Potenzmittel Viagra und das Zigarettenlabel Benson & Hedges. Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen: Auf Youtube kann man sogar einen gefälschten Ferrari begutachten. „Fälschungen haben aufgrund der Nachfrage in den vergangenen zwanzig Jahren um mehr als 10.000 Prozent zugelegt“, mahnt die IACC, die sich dem Schutz des geistigen Eigentums verschrieben hat.

Politiker und Unternehmen sehen die Konsumenten in der Pflicht, können ihnen aber in der Regel relativ wenig anhaben. In Italien, wo an den Küsten jährlich geschätzte sieben Milliarden Euro mit Produktfälschungen umgesetzt werden, machen sich nicht nur Verkäufer, sondern auch Käufer von Kopien strafbar, wie das Beispiel der österreichischen Touristin zeigt. Anders ist das in Österreich. Hier haben die Behörden zwar die Möglichkeit, gefälschte Produkte zu beschlagnahmen. „Den Konsumenten drohen aber keine Strafen“, sagt Roman Seeliger von der Wirtschaftskammer.


Nur die soziale Norm wirkt noch. Laut Expertin Stöttinger gibt es ohnehin wenig, was Menschen vom Kauf gefälschter Produkte abhält. Ethische Argumente, die die Bedeutung des geistigen Eigentums ins Zentrum rücken, funktionieren laut der Expertin „gar nicht“. Auch ökologische Gründe kämen nicht an. „Die soziale Norm ist die einzige Abschreckung“, sagt sie. Wenn Menschen befürchten, dass sie von ihren Freunden verurteilt werden, ließen sie eher die Finger von Kopien.

Nur: Auch diese Hemmschwelle beginnt zu sinken. „Wir haben Untersuchungen gemacht und festgestellt, dass die erwarteten Sanktionen oft nicht eintreten.“ Im Gegenteil hätten Freunde und Bekannte oft sogar mit Anerkennung reagiert und gefragt, wo die betreffende Person diese gute Fälschung gefunden habe. „Wenn Konsumenten merken, dass sie nicht einmal das Urteil ihrer Freunde fürchten müssen, leidet die Glaubwürdigkeit der Marke erheblich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2010)

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