Angst als Produkt: Schutz gegen Finanzdesaster boomt

A trader wears RealD 3-D glasses on the floor of the New York Stock Exchange
A trader wears RealD 3-D glasses on the floor of the New York Stock Exchange(c) Reuters (Brendan Mcdermid)
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Der weltgrößte Anleiheninvestor Pimco plant einen Fonds, der Anleger gegen extreme Bewegungen des Markts schützen soll - und ist damit nicht allein. Kritiker warnen vor einer geradezu "genialen Irreführung".

Fast zwei Jahre nachdem die US-Investmentbank Lehman Brothers in die Pleite schlitterte und die Finanzwelt an den Rande des Abgrunds brachte, ist das Sicherheitsbedürfnis vieler Investoren immer noch sehr hoch. Sie wollen sich gegen unerwartete Marktbewegungen absichern. Nun will der weltgrößte Anleiheninvestor Pimco einen Fonds zum Schutz gegen Extremsituationen in der Finanzwelt schaffen, berichtet die Finanz-Nachrichtenagentur "Bloomberg". Investoren sollen so gegen Kursstürze von mehr als 15 Prozent abgesichert werden.

Der Bedarf an Schutz gegen extreme Bewegungen am Markt ist seit Anfang Mai noch einmal angestiegen, als die New Yorker Börse binnen weniger Minuten um 1000 Punkte einbrach ("Wall Street: Der mysteriöse Kurseinbruch") und Investoren schockte.

Pimco bedient sich bei seinem "Pimco Tail Risk Hedging Fund 1" der sogenannten Tail Risk-Strategie. Bei "tail risk" handelt es sich um Ereignisse mit einer sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit. Da sie so selten sind, ist es verführerisch, sie zu ignorieren.

Was ist Tail Risk?

Die Einschätzung des Portfoliorisikos basiert auf dem Prinzip der Normalverteilung. Nach diesem Konzept gilt es als äußerst unwahrscheinlich, dass der Wert eines Portfolios um mehr als drei Standardabweichungen vom Mittelwert abweicht (wobei mit einer Abweichung i.d.R. ein Rückgang gemeint ist).

Wenn in einem bestimmten Fall diese Wahrscheinlichkeit größer ist, als es der Normalverteilung entsprechen würde, spricht man von einem Tail Risk.

Quelle: www.allianz.com

Schutz gegen Finanzdesaster boomt

Um sich gegen solche Risiken abzusichern, griffen Investoren bislang vor allem auf Kreditderivate ("Credit Default Swaps", CDS) zurück. Diese funktioneren im Prinzip wie Ausfallsversicherungen. Der Anleiheninvestor Pimco ist aber nicht der einzige Anbieter, der Schutz gegen extreme Marktrisiken anbietet. Immer mehr kleine Firmen schießen aus dem Boden, die sich darauf spezialisieren, berichtet "Bloomberg". Auch Deutsche Bank und Citigroup sind in diesem Bereich bereits tätig.

Erst im Februar 2010 hatte die US-Bank Citigroup einen neuen Derivate-Index angekündigt, der Anleger gegen die Risiken einer neuen Finanzkrise absichern soll. Damals warnten Experten vor den hochexplosiven Nebenwirkungen des vermeintlichen Wundermittels, wie "DiePresse.com" berichtete.

"Sie werden wie die Fliegen sterben"

Nassim Nicholas Taleb, renommierter Autor des hochgelobten Buches "Der schwarze Schwan", ist ein Pionier im Bereich der Versicherung gegen extreme Marktrisiken. "Sie werden wie die Fliegen sterben", glaubt er "Bloomberg" zufolge nicht an die langfristige Überlebensfähigkeit solcher Schutzmaßnahmen. "Die Firmen und ihre Kunden werden an irgendeinem Punkt aufgeben. Ich habe das gesehen", sagt Taleb, der über sechs Jahre einen entsprechenden Fond geleitet hat.

Mit der steigenden Nachfrage steigen auch die Kosten, berichtet "Bloomberg". Im Juni waren die Kosten so hoch wie nie zuvor.

"Hohe Prämie für plötzlichen Sturm"

Indes warnen Strategen der US-Bank Goldman Sachs: "Investoren zahlen eine hohe Prämie, um sich gegen einen plötzlichen Sturm abzusichern. Aber sie sind nicht bereit sich gegen eine anhaltende Periode zu versichern, in der kein Wind geht."

Anleger sollten vorsichtig sein, der Herde zu folgen, sagt auch Eric Petroff, Forscher bei Wurts & Associates. "Produkte, die Anleger gegen extreme Marktsituationen absichern, tendieren dazu, dann aufzutauchen, wenn das Ereignis bereits passiert ist", so Petroff. Im Jahr 2007 hätten derartige Produkte Sinn gemacht, aber jetzt seien sie geradezu "genial irreführend".

(phu)

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