Vatikanbank: "Gottes Banker" im Visier der Justiz

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Römische Staatsanwälte wittern Geldwäsche und beschlagnahmen 23 Mio. Euro. Ermittelt wird gegen den neuen Chef der Vatikanbank, Ettore Gotti Tedeschi, der darin eine Attacke gegen den Vatikan sieht.

Wien. Es klingt wie ein Treppenwitz der gerade erst zu schreibenden Wirtschaftsgeschichte: Zwei der prominentesten Bankmanager Italiens, die sich in ihrer politisch-weltanschaulichen Orientierung in etwa so ähnlich sind wie Don Camillo und Peppone, geraten zeitgleich in die Bredouille – und fühlen sich beide als Opfer einer Verschwörung. Alessandro Profumo (kirchenfern und Vorwahl-Aktivist des sozialdemokratischen Partito Democratico) wird vom Thron der UniCredit gestürzt und weiß selbst nicht recht, wer dahintersteckt. Gegen Ettore Gotti Tedeschi (streng gläubig, Vertrauter von Justizminister Tremonti und Präsident der Vatikanbank) leitet die römische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäsche ein.

Der „Banker Gottes“ zeigt sich so verbittert wie sein Kollege. „Ich fühle mich tief gedemütigt“, beklagt sich Tedeschi und übt sich seinerseits in Verdächtigungen. Er insinuiert einen „gezielten Angriff“ gegen ihn selbst, die Bank und den gesamten Vatikan: „Wer weiß, ob da nicht jemand den Erfolg besudeln will, den der Papst in Großbritannien erzielt hat.“

Dubiose Überweisungen

Was ist geschehen? Vor einer Woche fallen der italienischen Nationalbank zwei Transaktionen auf. 23 Mio. Euro sollen von einem Girokonto bei der römischen Bank Credito Artigiano überweisen werden, der größere Teil (20 Mio.) zur Frankfurter Tochter der US-Bank JP Morgan. Das Girokonto gehört der Hausbank des Papstes, von der auch Priester, Orden und wohltätige Einrichtungen aus aller Welt ihre Gelder verwalten lassen.

Wer die Überweisung in Auftrag gegeben hat, wer der Empfänger und was ihr Grund und Zweck ist, wird aber nicht angegeben. Das widerspricht der EU-Geldwäsche-Richtlinie. Kein Kavaliersdelikt: Verantwortlichen drohen bis zu drei Jahren Haft und 50.000 Euro Strafe. Die Zentralbank stoppt den Geldtransfer für fünf Arbeitstage und gibt damit der Justiz die Möglichkeit einzugreifen. Was sie auch tut: Eine Untersuchungsrichterin lässt die Gelder beschlagnahmen, zwei Staatsanwälte starten Ermittlungen gegen die höchsten Repräsentanten der Vatikanbank: Gotti Tedeschi und Paolo Cipriani, den operativen Geschäftsführer. Ein beispielloser Akt: Zwar hat im Jahr 2003 der Oberste Gerichtshof die Vatikanbank der italienischen Gerichtsbarkeit unterworfen, aber noch nie wurde ihren Führern der Streit verkündet – und das, obwohl seit zwei Jahren auf kleinem Feuer Ermittlungen wegen verdächtiger Geldbewegungen über in Summe 180 Mio. Euro laufen. Entsprechend schockiert zeigt sich der Vatikan: „Der Heilige Stuhl verleiht seiner Bestürzung und Verwunderung Ausdruck“ und betont das „höchste Vertrauen“ in die beiden Manager, wie es in einer Aussendung heißt.

Unter Kardinälen munkelt man von einem gezielten „Schlag unter die Gürtellinie“. Dabei könnte der Auslöser für die plötzlich so fieberhaften Aktivitäten auch ein recht banaler sein: Anfang September wies die Nationalbank in einem Rundschreiben alle italienischen Banken darauf hin, dass das „Institut für religiöse Werke“ (IOR), wie die Vatikanbank offiziell heißt, nicht zur EU gehöre und deshalb verstärkt kontrolliert werden müsse.

„Nur ein Verfahrensfehler“

Zum Anlassfall verteidigt sich Gotti Tedeschi, es habe sich nur um einen „Verfahrensfehler“ gehandelt. Er sei gerade dabei, die neuen Transparenzvorschriften umzusetzen, nur bei den Geschäften mit dem Credito Artigiano sei man noch nicht so weit gewesen.

Die Affäre ist für die Kurie von höchster Peinlichkeit. Erst vor einem Jahr hatte sie Gotti Tedeschi als den neuen Mann von außen präsentiert, der als Professor für Finanzethik, Ex-McKinsey-Berater und Bankenprofi einen Schlussstrich unter die dunkle Vergangenheit der Hausbank ziehen sollte.

Mit diesem Anspruch war allerdings schon sein Vorgänger Angelo Caloia angetreten, der dann über den Bestseller „Vatikan AG“ gestolpert war. Darin enthüllte der Journalist Gianluigi Nuzzi, dass auch unter Caloia über die Vatikanbank Politiker bestochen und Mafiagelder weißgewaschen wurden.

Wurzel des Übels ist die Möglichkeit, dass auch Privatpersonen ohne kirchliches Amt ein Konto eröffnen können, kombiniert mit einem Bankgeheimnis, das strenger ist als in jeder Steueroase. Mit beidem hat Gotti Tedeschi aufzuräumen versprochen. Nun droht auch er überraschend rasch und spektakulär zu scheitern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2010)

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