Finanznot: "Irland ist faktisch insolvent"

BLARNEY CASTLE
BLARNEY CASTLE(c) AP (John Cogill)
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Irland sei zu einer Abteilung der Europäischen Zentralbank geworden, sagt ein irischer Ökonom. Indes droht den Banken eine zweite Verlustwelle. Investoren verlieren zunehmend ihr Vertrauen.

Irland will im Kampf gegen den Schuldenberg im kommenden Jahr sechs Milliarden Euro beim Staatshaushalt einsparen - doppelt so viel wie zunächst geplant. In den kommenden vier Jahren müssten die Ausgaben um bis zu 16 Milliarden Euro gekürzt werden, sagte der irische Finanzminister Brian Lenihan vor einer Woche. Damit will die Republik das internationale Vertrauen in seine Finanzen wieder herstellen.

Das Problem: Investoren zweifeln immer mehr an der Fähigkeit der irischen Regierung, genügend Unterstützung für das geplante Sparprogramm zu erhalten, berichtet das "Handelsblatt". "Investoren schrecken wegen wachsender politischer Unsicherheit und der Befürchtung, dass sie einen Großteil der möglichen Verluste in künftigen staatlichen Schuldenkrisen selber schultern müssen, vor den irischen Schulden zurück", zitiert die Zeitung den australischen "Business Spectator".

"Der irische Staat ist pleite"

Irland sei faktisch insolvent, bringt es der irische Ökonom Morgan Kelly in einem Kommentar für die "Irish Times" drastisch auf den Punkt. Sein Urteil: "Im September hat die Republik Irland als unabhängige fiskalische Einheit aufgehört zu existieren und ist zu einer Abteilung der Europäischen Zentralbank geworden".

Der September sei der Punkt ohne Wiederkehr in der irischen Bankenkrise gewesen. Damals habe Irland beschlossen fällig werdende Bankanleihen im Wert von 55 Milliarden Euro durch Kredite der EZB zu refinanzieren. Die unbegrenzte Haftung des Staates für die Bankschulden überschreite aber die finanziellen Möglichkeiten Irlands. Für den Steuerzahler bedeute das, dass jeder Cent an Einkommenssteuern für die nächsten fünf Jahre in den Schuldendienst fließe, schreibt das "Handelsblatt". "Mit anderen Worten: Der irische Staat ist pleite. Die Verbindlichkeiten übersteigen bei weitem jede realistische Möglichkeit, sie zurückzuzahlen", schreibt Kelly.

"Zweite Verlustwelle könnte Banken treffen"

Und die schlechten Nachrichten nehmen kein Ende. Nach der Gewerbeimmobilien-Krise droht den irischen Banken nun der Ausfall von Eigenheim-Krediten. 4,6 Prozent der Kreditschuldner sind zumindest 90 Tage mit ihren Raten im Rückstand.

"Die Schwierigkeiten bei den Wohnungsbaukrediten, die plötzlich auftauchen, befeuern Ängste,  dass eine zweite Verlustwelle selbst die gesündesten Banken Irlands treffen könnte", schreibt das "Wall Street Journal".

Defizit von 32 Prozent im Jahr 2010

Tatsächlich liegt das Haushaltsdefizit 2010 bei 32 Prozent. Die Gesamtverschuldung beträgt mit 104 Milliarden Euro laut Eurostat 65,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen Irlands und anderer finanzschwacher Eurostaaten sind in den vergangenen Tagen dramatisch gestiegen.

Der irische Ausblick auf den Haushalt für 2011, der Anfang Dezember vorgestellt werden soll, geht von einem Wachstum von 1,75 Prozent im kommenden Jahr aus. Die Regierung betonte, man wolle versuchen, den größten Teil der Haushaltskonsolidierung über Einsparungen und nicht durch Steuererhöhungen zu schultern. Der Großteil der Sparmaßnahmen soll bis Ende 2011 greifen, sagte der irische Finanzminister Brian Lenihan. Danach werde Irland bereits wieder auf dem "Weg zur Nachhaltigkeit beim Haushalt" sein.

Mehr Aufsichtsräte in Finanzinstituten

Erst am Montag wurde bekannt, dass Irland will nach den Erfahrungen aus seiner Bankenkrise mehr Aufsichtsräte in Finanzinstituten vorschreiben und Personalüberschneidungen verbieten will. Man brauche "frisches Blut" in den Vorstandsetagen, sagte Chefaufseher Matthew Elderfield von der irischen Notenbank am Montag.

Vom 1. Jänner an müssen wichtige Finanzinstitute mindestens sieben Aufsichtsräte haben. Ein Manager darf zudem nicht mehr Vorstandschef und Geschäftsführer zugleich sein. Entsprechende Vorschriften werden in einem Kodex für Unternehmensführung gesetzlich verankert.

Irland will Wiederholung der Bankenkrise verhindern

Die Notenbank will damit eine Wiederholung der irischen Bankenkrise verhindern und internationaler Vorreiter sein. Die Vorschriften gelten für alle Banken und Versicherungen, die in Irland tätig sind. Als wichtige Institute mit strengeren Anforderungen gelten alle Verleiher mit einer großen Privatkundensparte wie die Bank of Ireland, AIB oder Irish Life & Permanent.

Irische Banken vergaben jahrelang freigiebig Kredite und trugen zum Entstehen und Platzen der Immobilienblase bei. Die Regierung hat als Konsequenz weite Teile der Branche verstaatlicht, was den Steuerzahler bis zu 50 Milliarden Euro kosten könnte.

(Red.)

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