Griechenland: "Merkel treibt uns in die Pleite"

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Griechenland(c) EPA (Yoan Valat)
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Die deutsche Kanzlerin Merkel will "eine neue Stabilitätskultur in Europa zu verankern". Unter anderem soll es ein Insolvenzrecht für Staaten geben.

Kurz vor dem Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel steht Europa in der Schuldenkrise vor einer Zerreißprobe. Während auch Portugal am Montag andeutet, möglicherweise eine Milliarden-Hilfe zu brauchen, wirft Griechenland der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel vor, mit ihren Vorschlägen zu einer Insolvenzordnung für EU-Staaten finanzschwache Länder in die Pleite zu treiben. "Das könnte vielen das Rückgrat brechen", sagte Regierungschef Giorgos Papandreou.

Merkel hält dagegen: "Es ist unsere Aufgabe, eine neue Stabilitätskultur in Europa zu verankern", rief sie den Delegierten des CDU-Parteitags in Karlsruhe zu. Unterdessen verdichten sich die Hinweise darauf, dass das klamme Irland bald unter den europäischen Rettungsschirm schlüpfen und Milliarden zur Stützung seines maroden Bankensektors abrufen könnte.

Die EU ist laut EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny daran interessiert, das Problem rasch zu lösen. Es müsse vermieden werden, dass Länder wie Spanien und Portugal mit in den Strudel gerissen würden, betonte der österreichische Notenbankchef. Der im Mai aufgelegte Fonds der EU und des IWF ist mit 750 Mrd. Euro üppig bestückt und soll klammen Euro-Staaten aus der Patsche helfen. Irland prüft einem Zeitungsbericht zufolge, für seine notleidenden Geldinstitute Hilfen aus dem EU-Rettungstopf in Anspruch zu nehmen. Der Schritt könne eine Möglichkeit sein, Staatshilfen zu vermeiden, meldete die Zeitung "Irish Independent".

Finanzministertreffen am Mittwoch

Finanzminister Brian Lenihan könne schon am Dienstag beim Treffen mit seinen Kollegen aus der Eurogruppe in Brüssel anfragen, ob dies machbar sei. Am Mittwoch folgt das Treffen der EU-Finanzminister (Ecofin). Dabei soll das Thema Irland nach Angaben eines EU-Diplomaten außerhalb der üblichen Tagesordnung behandelt werden. Ein anderer EU-Vertreter sagte, es gehe darum festzustellen, was im Fall Irlands die Krisensituation sei, die ein Aktivieren des Euro-Schutzschirms rechtfertige.

Wie von einem ranghohen EU-Diplomaten zu erfahren war, müsste Irland auch bei einer strikt auf die Geldinstitute begrenzten Hilfe einen formellen Antrag in Brüssel stellen. Die Brüsseler Mittel könnten nicht direkt an die Banken fließen. "Die Hilfe geht an den Staat, nicht an private Institutionen", fügte der Diplomat hinzu. Die irische Opposition geht davon aus, dass die EU-Maschinerie zur Rettung Irlands bereits angelaufen ist. "Ich denke, es wird sich in den nächsten 24 Stunden herauskristallisieren", sagte der Sprecher der oppositionellen Fine Gael-Partei, Michael Noonan.

Irland im Schuldensumpf

Das einst wegen seines Wachstums als "keltischer Tiger" gerühmte Irland steckt mittlerweile tief im Schuldensumpf: Viele Banken des Landes mussten vom Staat mit Milliarden gestützt werden, vor allem die Anglo Irish Bank erwies sich als Milliardengrab. Sie war in der Finanzkrise in Schieflage geraten und 2009 verstaatlicht worden. Der weitere Finanzbedarf wird mindestens 34 Mrd. Euro betragen. Gleichzeitig brach das Bruttoinlandsprodukt in der Finanzkrise ein. In der Folge ist das Staatsdefizit explodiert. Im vorigen Jahr betrug der Fehlbetrag 14,4 Prozent, 2010 wird er sich voraussichtlich mehr als verdoppeln.

Vor Mitte 2011 braucht das Land zwar kein frisches Geld mehr, doch die Finanzmärkte sind alarmiert. Die Lage Irlands erinnert manche Beobachter bereits an Griechenland. Der Pleitekandidat hatte sich im April in die Arme der EU und des IWF geflüchtet und ächzt unter den harten Auflagen, die die beiden Gläubiger dem Land im Gegenzug für die Finanzhilfe auferlegt haben.

Merkel will Insolvenzordnung für Staaten

Für zunehmende Nervosität am Markt hatte zuletzt der Vorstoß Merkels gesorgt, eine Insolvenzordnung für EU-Staaten auf den Weg zu bringen. Nach deutschen Plänen sollen nach dem Auslaufen des jetzigen Rettungsfonds ab Mitte 2013 auch private Gläubiger zur Kassen gebeten werden, wenn Länder ihre Schuldenlast nicht mehr schultern können. Dagegen laufen Irland und Griechenland Sturm.

"Es löst eine Spirale steigender Zinsen für Länder wie Irland und Portugal aus. Das könnte eine sich selbst erfüllende Prophezeiung auslösen, klagte der griechische Regierungschef Papandreou bei einem Besuch in Paris. Merkel will jedoch Kurs halten und zeigte sich in Karlsruhe kämpferisch: "Es geht um alles: Denn scheitert der Euro, dann scheitert Europa."

Angesichts immer tieferer Haushaltslöcher ringt Papandreous Regierung um ihren Sparkurs. Das Finanzministerium kündigte an, es halte an dem Ziel fest, bis 2014 den Fehlbetrag auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drosseln, wie es mit IWF und EU vereinbart wurde. 2010 liege das Defizit bei 9,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 2009 waren es nach jüngsten Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat sogar 15,4 Prozent.

(APA)

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