Die Euro-Zukunft hängt an Spanien und Portugal

EuroZukunft haengt Spanien Portugal
EuroZukunft haengt Spanien Portugal(c) REUTERS (RAFAEL MARCHANTE)
  • Drucken

Ein Generalstreik verstärkt Befürchtungen, dass auch Portugal EU-Hilfe braucht. Wenn es Spanien mitzieht, könnte der Rettungsschirm gesprengt werden. Die spanische Immobilienblase ist noch nicht ganz geplatzt.

Wien. Auf dem Flughafen von Lissabon herrschte am gestrigen Mittwoch gespenstische Leere. Die meisten Schalter blieben unbesetzt. 98 Prozent aller Flüge fielen aus, auch zahlreiche Urlauber waren betroffen. U-Bahnen, Züge und Busse standen still. Die beiden größten Gewerkschaften hatten zu einem Generalstreik gegen die geplanten Sparmaßnahmen ausgerufen, der Portugal paralysierte.

Ein Land, das stillsteht, gelähmt ist, nicht mehr abheben kann: Dieses Bild haben auch Anleihe-Investoren vor Augen, wenn sie an Portugal denken. Das ärmste Land Westeuropas sei nach Griechenland und Irland der nächste Kandidat für den EU-Rettungsschirm, glauben immer mehr Analysten. Auf 30 bis 70 Mrd. Euro wird der Finanzbedarf taxiert.

Zwar ist ein konsequentes Sparbudget für 2011 beschlossene Sache, weil auch die größte Oppositionspartei mitzieht. Daran wird wohl auch der Streik nichts ändern. Aber die Reaktion der Regierung Sócrates auf das ausufernde Budgetdefizit kam zu spät, zu lange wurde das Problem kleingeredet – mit dem Erfolg, dass die Neuverschuldung in absoluten Zahlen heuer nochmals steigen wird.

Grenzen des Rettungsschirms

Chronische Wettbewerbsschwäche, verbunden mit einem chronisch ungesunden Haushalt: ein Rezept, das aus dem griechischen Staatskrisen-Kochbuch zu stammen scheint. Immerhin platzten hier wie dort – und anders als in Irland und in Spanien – keine Immobilienblasen. Auch der Bankensektor gilt als solide. Aber er ist klein, und viel wird von den großen Banken des großen Nachbarn finanziert: Knapp 110 Mrd. Euro beträgt das Exposure spanischer Institute in Portugal. Fällt der kleine Südwest-Außenposten der Währungsunion, könnte der große bald folgen. Mit einem Noteinsatz für die viertgrößte Volkswirtschaft der Eurozone, der 300 Mrd. Euro oder mehr kosten könnte, gerät aber auch der Rettungsschirm aus EZB, Brüssel und IWF an die Grenzen seiner Möglichkeiten (voll aufgespannt umfasst er 750 Mrd. Euro, abzüglich Besicherungen und Barreserven stehen aber 500 bis 600 Mrd. zur Verfügung). Dann aber steht der Euro als Ganzes auf dem Spiel.

Spanische Reformen greifen

Doch selbst wenn dieses Horrorszenario nicht eintritt und der Rettungsschirm hält: In drei Jahren soll er auslaufen. Alle Staatsanleihen über einen längeren Zeitraum gelten als gefährdet. Zumal dann, wenn sich die Deutschen mit ihrer Forderung durchsetzen, künftig auch unvorsichtige Gläubiger bei Staatspleiten zur Kassa zu bitten.

Am Dienstag erreichten die Risikoaufschläge für portugiesische und spanische Anleihen neue Höchststände. Noch ehe sich die Unsicherheit in der Irland-Krise gelegt hat, blicken die Investoren gebannt auf die Iberische Halbinsel – vor allem nach Spanien.

In Madrid stemmt sich die Regierung Zapatero mit der Kraft der Verzweiflung gegen die wachsende Skepsis der Anleger. Spanien ist nicht Irland, wiederholen die Politiker gebetsmühlenartig. Und sie haben dafür, trotz eines vergleichbar fatalen Immobilienbooms, gute Argumente: Während die Iren ihre Bankbilanzen auf 1000 Prozent der Wirtschaftsleistung aufblähten, liegt das Verhältnis in Spanien nur bei 330 Prozent.

Zudem fiel der „Ziegelstein“, wie die Spanier spöttisch ihre hypertrophe Baubranche nennen, nur der einen Hälfte des Bankensektors auf den Kopf: den regionalen, meist politisch gesteuerten Sparkassen. Sie wurden in den letzten Monaten, trotz massiver Widerstände der Landesfürsten, durch Fusionen wieder lebensfähiger gemacht. Auf dem bisher so rigiden Arbeitsmarkt greifen erste Reformen. Die Neuverschuldung konnte die Regierung um knapp die Hälfte reduzieren.

Die Großbanken haben sich längst selbst saniert, mit einem Krisenfonds, den sie – vorbildlich antizyklisch – schon in der Boomphase gefüllt hatten. Heute machen sie, wie Telefonanbieter und Energieunternehmen, wieder gute Geschäfte mit den boomenden Schwellenländern in Südamerika. Zudem sollte 2011 der Tourismus wieder anziehen, vor allem dank der konsumfreudigen Deutschen.

Hauspreise um 17 Prozent zu hoch

Ist damit ein Krisen-Ausweg vorgezeichnet? Die starke Fokussierung auf Dienstleistungen erlaubt der spanischen Wirtschaft nicht, vom neu belebten Welthandel so zu profitieren wie etwa deutsche Maschinenbauer. Noch bleibt das Wachstum aus. Die mit 20 Prozent höchste Arbeitslosigkeit in der EU bleibt ein massives Hindernis auf dem Pfad aus der Krise.

Und auf ein bisher wenig beachtetes Gefahrenpotenzial wies die EU-Kommission vor kurzem hin: Noch immer sind die spanischen Immobilienpreise um 17 Prozent zu hoch, im Vergleich zu drei Prozent im Schnitt der Eurozone (in Irland ist der Boden übrigens längst erreicht). Die Blase ist also noch nicht ganz geplatzt, ein zweiter Knall immer noch möglich. Er wäre auch in Frankfurt und Brüssel überlaut zu hören.

Auf einen Blick

Portugal und Spanien machen den Anleiheinvestoren immer größere Sorgen. Aktuell gefährdeter ist Portugal. Für den ganzen Euroraum hochgefährlich wäre, wenn in der Folge auch Spanien Haftungen aus dem EU-Rettungsfonds benötigt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.