Portugal: Ein Euro-Schutzschirm aus Dementis

Portugal EuroSchutzschirm Dementis
Portugal EuroSchutzschirm Dementis(c) AP (MICHAEL PROBST)
  • Drucken

Lissabon hat ein Sparbudget beschlossen, aber seine Wirkung verpufft. Investoren rechnen fix damit, dass das Land europäische Finanzhilfe beantragen wird. Das wird offiziell heftig dementiert.

Wien. Das hatten sich die Portugiesen anders vorgestellt. Ein nationaler Schulterschluss, ein heroisches Sparpaket – damit hatten sie ihre Gläubiger beeindrucken wollen. Und tatsächlich beschloss am Freitag das Parlament in Lissabon ein rigides Krisenbudget für 2011. Es soll das Defizit, das heuer zwischen sieben und acht Prozent liegen wird, auf unter fünf Prozent drücken. Vor allem aber sollte es zeigen, dass das Armenhaus Westeuropas seine Probleme selbst in den Griff bekommt – anders als Irland und Griechenland.

Doch just an diesem Tag erreichten die Zinsen für Portugal-Bonds neue Höchststände, und die Gerüchte über ein baldiges Hilfsansuchen brodelten heftiger denn je. Die „Financial Times Deutschland“ berichtete von allseitigem Druck auf Portugal, sich unter den im Mai geschaffenen Schutzschirm für angeschlagene Eurostaaten zu flüchten. Und für Sonntag sollen die EU-Finanzminister eine Telefonkonferenz planen, genau wie am Sonntag zuvor in Sachen Irland. Wilde Dementis folgten. Als „absolut und vollständig falsch“ bezeichnete EU-Kommissionspräsident Barroso „jeglichen Verweis auf einen Hilfsplan“.

Wird Rettungsfonds aufgestockt?

Doch die Anleger, Analysten und Ökonomen haben Portugal als Teilnehmer auf dem Anleihemarkt schon abgeschrieben. Eine klare Mehrheit erwartet eine Rettungsaktion nach irischem Vorbild, wie Umfragen ergeben. Die portugiesische Wirtschaft ist wenig wettbewerbsfähig, ein Geschäftsmodell fehlt, der Rückfall in die Rezession droht.

Im Jänner sind die nächsten Refinanzierungen fällig. Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos hat schon vor Wochen die Linie vorgegeben: Wenn die Zinsen auf dem Kapitalmarkt sieben Prozent übersteigen, ist es Zeit, bei EU und Internationalem Währungsfonds anzuklopfen. Die Marke ist nun überschritten. Unter Investoren wird schon weitergedacht: Folgt Spanien, dessen Banken stark in Portugal investiert sind? Italien? Gar Frankreich? Die Zeichen stehen auf Abverkauf. Das ist rational gedacht: Staatsanleihen sollen eine sichere Anlage sein, und schon eine geringe Ausfallsgefahr bringt das Risikoprofil eines Portfolios aus dem Gleichgewicht.

Dass ihr großer Auftritt misslang, verdanken die Portugiesen aber auch Axel Weber. Mit einer unbedachten Aussage wollte der deutsche Bundesbankpräsident den Markt beruhigen und stiftete stattdessen neue Unsicherheit. Er erklärte, zur Not könnte die Spannbreite des Euro-Schutzschirms ja vergrößert werden. Das führte zu Gerüchten, die EU-Kommission plane eine Aufstockung, vielleicht gar Verdoppelung des Hilfsrahmens, der mit IWF- und EU-Hilfen 750 Mrd. Euro ausmacht. Deutschland habe dieses Ansinnen eiligst abgeblockt.

Definitiv eilig hatte es Berlin, das alles zu dementieren. Finanzminister Schäuble sprach von „ganz abseitigen Äußerungen“. Ein Sprecher der EU-Kommission verwies darauf, dass Brüssel über den in Luxemburg angesiedelten Rettungsfonds gar nichts entscheiden könne. Sehr wohl werde die Kommission aber Anfang Dezember einen Vorschlag machen, wie der 2013 auslaufende Rettungsmechanismus zu einer Dauereinrichtung gemacht werden soll.

Einzig Hans-Werner Sinn, Chef des Münchener ifo-Instituts, bewahrt einen kühlen Kopf. Er hält die ganze Aufregung für übertrieben – und von den Banken geschürt, die von jedem „Bail-out“ profitieren, weil sie dabei ungeschoren bleiben. Der Ökonom erinnert an die 130 Mrd. Euro, die von deutschen Banken als ihr Irland-Risiko ins Treffen geführt werden. Davon sind aber 100 Mrd. Forderungen an ihre eigenen Zweckgesellschaften – und damit ohne spezielles Länderrisiko.

Im Übrigen habe der aktuelle Rückzug der deutschen Banken aus den Staatsanleihen von Problemstaaten auch sein Gutes: Endlich würden sie in „deutsche Häuslbauer und den Mittelstand“ investieren, statt ihr Kapital in den Rest Europas zu tragen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.11.2010)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.