Euro-Krise: Eurostaaten müssen für Insolvenz vorsorgen

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Auch Österreich muss künftig bei all seinen neuen Staatsanleihen eine mögliche Restrukturierung seiner Schulden vertraglich festhalten. Die Finanzminister der Eurozone werden sich dabei genau abstimmen müssen.

Brüssel. Die Rettung Griechenlands und Irlands vor dem Staatsbankrott durch die anderen Mitglieder der Eurozone hat nun auch für die Retter Folgen: Ab Mitte 2013 müssen sie bei jeder neuen Anleihe, die sie zur Deckung ihrer Staatsausgaben auf den Markt bringen, genaue vertragliche Vorkehrungen – sogenannte „Collective Action Clauses“ – für den Fall ihrer eigener Insolvenz fixieren.

„Collective Action Clauses werden ab Mitte 2013 für alle Euro-Mitgliedstaaten und alle neuen Anleihen gelten“, sagte Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn am Montag in Brüssel bei der Vorstellung der aktuellen Herbstprognose für Europas Wirtschaft.

„Collective Action Clauses“ sind Vertragsformeln, die festhalten, wie sich die Anleihegläubiger im Fall eines drohenden oder bereits geschehenen Zahlungsausfalles „ihres“ staatlichen Schuldners zu organisieren haben. Sie legen entweder fest, dass eine Mehrheit der Gläubiger einer Restrukturierung der Schuld stellvertretend für alle Gläubiger zustimmen kann oder dass die Mehrheit verhindern kann, dass eine Minderheit ihre Rechte im Klagsweg einfordert.

Hiermit klärte Rehn erstmals einen wesentlichen Teil in jener dauerhaften Vorkehrung zur Rettung der Währungsunion, auf den sich Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy am Sonntag in Telefonaten zwischen Berlin, Paris und Brüssel mit den Spitzen der EU-Institutionen geeinigt hatten. Dieser „Europäische Stabilitätsmechanismus“ soll im Sommer 2013 dem auf drei Jahre befristeten Europäischen Finanzstabilitätsfonds folgen, aus dem das Paket zur Rettung der irischen Banken mitfinanziert wird.

Finanzierungsagentur ist bereit

Künftig werden die privaten Gläubiger der Euroländer damit rechnen müssen, einen Teil der Kosten einer Notfallsanierung tragen zu müssen – durch eine Stundung der Rückzahlung, eine Herabsetzung ihrer Zinsen oder im äußersten Fall den teilweisen oder totalen Verlust ihrer Forderung gegen das marode Euroland.

„Das ist für uns nichts Neues. Wenn wir Dollarbonds machen, haben wir Collective Action Clauses schon drinnen“, sagte Martha Oberndorfer, Geschäftsführerin der Österreichischen Bundesfinanzierungsagentur, zur „Presse“. Sie gab aber zu bedenken, dass die Abstimmung zwischen den Eurostaaten bei der Festlegung dieser Klauseln entscheidend sein wird: „Es liegt dann schon am Detail.“ Bereits 2004 hat sich der Wirtschafts- und Finanzausschuss (das Gremium der höchsten Beamten der nationalen Finanzministerien der EU) mit der Vereinheitlichung dieser Klauseln befasst.

Abstimmung in EU enorm wichtig

Wie wichtig es ist, dass die EU-Staaten hier koordiniert vorgehen, zeigt ein Papier des IWF, das Timothy Geithner (heute US-Finanzminister), Gerd Häusler (heute Chef der BayernLB) und François Gianviti (damals IWF-Chefjurist) im Juni 2002 vorlegten. „Solche Vorkehrungen in Rechtsordnungen einzuführen, wo sie noch nicht die Norm sind, könnte als Signal interpretiert werden, dass der Anleiheemittent Umstände vor Augen hat, unter denen er eine Restrukturierung suchen muss“, heißt es dort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.11.2010)

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