16 Staaten, eine Anleihe: Weg aus der Schuldenkrise?

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Noch herrscht Angst, die Schuldenkrise könnte sich weiter ausbreiten. Italien und Luxemburg fordern eine gemeinsame Anleihe der Euroländer. Berlin will aber nicht den Retter spielen.

Wien. Zwar will noch niemand wirklich das Wort „Eurokrise“ in den Mund nehmen. Es gebe nur Probleme mit der Finanzstabilität einiger Länder, sagt EZB-Chef Jean-Claude Trichet. Aber die Angst, die Schuldenkrise könnte sich weiter ausbreiten, beherrschte auch den Termin der Euro-Finanzminister Montagabend. Braucht Spanien Hilfe, könnte das den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm sprengen. Belgien, aber auch der IWF sind für eine Erweiterung. Italien und Luxemburg haben anderes im Sinn: Sie fordern eine gemeinsame Anleihe der Euroländer. Welche Folgen hätte diese?

1 Was soll eine gemeinsame Anleihe der Euroländer bringen?

„E-Bonds“ könnten die Krise beenden, schreiben Italiens Finanzminister und Luxemburgs Premier in der „Financial Times“. Sie würden das Vertrauen der Investoren in die Finanzen der Euroländer stärken und dennoch – bei richtiger Ausgestaltung – finanzschwachen Ländern einen Anreiz zum Sparen geben. Tatsächlich ließe sich mit einer Gemeinschaftsanleihe verhindern, dass viele Investoren auf einmal ihre Anleihen auf den Markt werfen und so die Zinsen eines Staates rasant in die Höhe treiben. Eine Schuldenspirale, wie sie in Griechenland in Gang gesetzt wurde, wäre so kurzfristig leichter zu vermeiden. Im besten Fall könnte die europäische Anleihe künftig den amerikanischen „Treasuries“ Paroli bieten.

2 Wie sollen „E-Bonds“ umgesetzt werden, wer soll sie ausgeben?

Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker stellt sich das so vor: Zuerst einmal solle eine europäische Schuldenagentur geschaffen werden – am besten sofort. Neben gemeinsamen Euro-Anleihen sollen nationale Anleihen bestehen bleiben. Euroländer könnten dann ihre Staatsanleihen gegen die Euro-Anleihe eintauschen. Dabei wären die Abschläge umso höher, je weniger vertrauenswürdig die Finanzen des Landes sind. Das soll einen Anreiz zum Sparen schaffen. Staaten, die sich schwer bis gar nicht selbst refinanzieren können, könnten so bis zu 100 Prozent ihres neuen Geldbedarfs decken.

3 Wer sind die Unterstützer, wer die Gegner der gemeinsamen Anleihe?

Deutschland und die Niederlande lehnen eine gemeinsame Anleihe kategorisch ab. Der Grund dafür ist einfach: Staaten mit hoher Bonität refinanzieren sich über den Kapitalmarkt deutlich günstiger, als dies bei gemeinsamen Anleihen der Fall wäre. Die Zinssätze der Gemeinschaftsanleihe würden jene der Deutschen Bundesanleihe deutlich übersteigen – diese gilt als europäische Benchmark. Hoch verschuldete Staaten würden von der hohen Bonität der Nettozahler profitieren. Neben Italien und Luxemburg unterstützt auch Kommissionspräsident Barroso die Idee einer Gemeinschaftsanleihe.

4 Wer würde die EZB-Anleihe kaufen?

China verfügt über die größten Devisenreserven der Welt und ist der größte Gläubiger der Vereinigten Staaten. In der Krise hat die Volksrepublik bereits kräftig in Griechenland investiert und auch Portugal seine Hilfe angeboten. Die Volksrepublik will ihre Anlagen breiter streuen und hat ihr Interesse an einer EZB-Anleihe schon vorab angekündigt.

5 Worin unterscheidet sich die Anleihe vom Rettungsschirm?

Das Geld aus dem Rettungsschirm ist an konkrete Gegenleistungen gebunden – nicht zuletzt deshalb, weil diese auch zum Standardprogramm von IWF-Krediten gehören. Bei Anleihen gibt es sie ohne ergänzende Mechanismen – etwa Abschläge für Defizitsünder – nicht. Hinter dem Rettungsschirm stehen Haftungen: Geld wird erst aufgenommen, wenn Garantien schlagend werden. Der Grundgedanke ist aber der Gleiche: Gute Schuldner haften für die schlechten.

6 Wie realistisch ist es, dass die Idee umgesetzt wird?

Solange sich Deutschland querlegt, wird keine gemeinsame Anleihe aller Euroländer zustande kommen. Ohne deutsche Beteiligung ist sie aber ziemlich unattraktiv. Denn es ist ja gerade die hohe Bonität der Nettozahler, die Investoren auf den Finanzmarkt Europa locken soll. Für Deutschlands Finanzminister Schäuble wäre eine gemeinsame Anleihe zudem ein Verstoß gegen die EU-Verträge.

7 Wie steht Österreich zur Idee der gemeinsamen Anleihe?

Eine offizielle Position der Oesterreichischen Nationalbank gibt es nicht – „persönlich“ könnte sich ihr Chef Ewald Nowotny aber für eine gemeinsame Anleihe erwärmen. Im Finanzministerium gibt man sich ablehnend: „Damit würde man Staaten, die in der Vergangenheit Budgetdisziplin gehalten haben, bestrafen. Und jene, die nicht gespart haben, würden belohnt“, sagt ein Sprecher.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2010)

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