Magere Zeiten für Irlands Bürger

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Die Finanzkrise schwört die Eurostaaten nicht auf eine gemeinsame Linie ein - der Ton in den Debatten um eine neue Waffe gegen Pleiten wird eher härter. Ein neuer Banken-Stresstest kommt im Februar.

London/Dublin/Brüssel. Die Rettung Irlands ist geglückt – die Euro-Finanzminister billigten das 85-Mrd.-Euro- Rettungspaket für das am Rande des Bankrotts stehende Land, das sich selbst ein scharfes Sparpaket verpasst hat. Schon 2011 soll der Staatshaushalt um sechs Mrd. Euro entlastet werden. Damit will Irland 40 Prozent der Einsparungen schaffen, die in den kommenden vier Jahren in Summe 15 Mrd. Euro ausmachen. Das Staatsdefizit von derzeit 32 Prozent soll schon 2011 nur neun Prozent betragen. Bis 2015 will Irland das Defizit wieder unter die Maastricht-Marke von drei Prozent drücken.

Für die Iren heißt das, dass sie den Gürtel sehr viel enger schnallen müssen. Unter anderem sind drastische Kürzungen bei Sozialleistungen einschließlich Pensionen, beim Arbeitslosen- und Kindergeld vorgesehen. „Jeder zahlt, und wer mehr zahlen kann, zahlt mehr“, sagte Finanzminister Brian Lenihan im Parlament. Die „anspruchsvollen“ Vorgaben seien ein Beweis für die „Ernsthaftigkeit“ der irischen Bemühungen, betonte Lenihan.

Statt zu größerer Einigkeit führt die Finanzkrise in der Eurozone jedoch zu immer größeren Unstimmigkeiten. Eine Woche vor dem letzten EU-Gipfel des Jahres, bei dem Deutschland und Frankreich die Weichen für einen permanenten Krisenmechanismus nach 2013 stellen wollen, setzen die Mitgliedstaaten ihre öffentliche Auseinandersetzung fort. Während der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble mit einem schnippischen „Wir können nicht jeden Tag eine neue Debatte haben“ ein Ende der Diskussionen forderte, erwiderte Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker gestern, Mittwoch, säuerlich: „Das deutsche Denken ist etwas simplizistisch.“

Juncker gegen Merkel

Worüber beide streiten, ist die Einführung einer gemeinsamen Euro-Anleihe in Ergänzung zu nationalen Staatsschuldscheinen. Während Deutschland, Österreich und die Niederlande ein derartiges Instrument bei der Tagung der Euro-Finanzminister diese Woche in Brüssel entschieden ablehnten („Wir haben ausreichende Mechanismen zur Verfügung“, sagte Österreichs Finanzminister Josef Pröll), verteidigte Juncker gemeinsam mit dem italienischen Wirtschaftsminister Giulio Tremonti dieses Konzept. Juncker reagierte erbost: „Der Vorschlag wird abgelehnt, bevor er ausreichend bewertet wurde.“ Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel warf er ungewöhnlich scharf eine „uneuropäische Art, europäische Geschäfte zu erledigen“, vor.

Deutschland könnte in seinen Bemühungen scheitern, sich von unsicheren Staaten wie Griechenland, Irland, Portugal und Spanien abzugrenzen. Ein Anzeichen dafür lieferten die Märkte: Die Aufschläge für deutsche Bundesanleihen – die sichersten Europas – stiegen gestern das erste Mal in sieben Monaten über die Marke von drei Prozent. Zugleich fand eine Auktion von deutschen Anleihen im Wert von vier Milliarden Euro weniger Nachfrage, als Angebot vorhanden war. „Die Bondmärkte leiden unter hoher Volatilität und geringer Liquidität“, meinte Peter Chatwell von Crédit Agricole in London. Niemand ist eine Insel in den Stürmen auf den Finanzmärkten.

Der zweite aktuelle Streitpunkt in der Eurozone ist eine Aufstockung des mit 750 Milliarden Euro dotierten Rettungsfonds. Während zahlreiche EU-Politiker diesen Schritt fordern, schließt Deutschland dies kategorisch aus. Das sei weder politisch noch juristisch durchsetzbar, heißt es aus Berlin. Der Chef des Rettungsfonds, Klaus Regeling, betonte: „Wir haben mehr als genug Mittel zur Verfügung.“

Portugal lehnt Hilfe ab

Befürworter einer Aufstockung des Fonds wollen den Märkten die Sorge nehmen, dass eine Rettung Portugals und Spaniens den Fonds überfordern würde. Der viertgrößte britische Investmentfonds Legal & General erklärte, keine spanischen Bonds mehr zu kaufen. „Wir werden erst wieder aktiv sein, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) die Führung übernimmt.“ Am Rande des Ecofin-Treffens hieß es zudem aus mehreren hochrangigen Quellen, dass Portugal als nächstes Land an der Reihe sein werde, internationale Hilfe anzunehmen. Portugals Finanzstaatssekretär Carlos Costa Pina bestritt dies nachdrücklich: „Wir brauchen keine externe Unterstützung.“ Dasselbe sagte freilich auch Irland bis zur letzten Sekunde.

Die nächste Nagelprobe kommt aber schon bald: Wie sicher die europäischen Banken aufgestellt sind, sollen sie ab Februar 2011 bei den neuen Stresstests unter Beweis stellen. Diese seien Teil einer breiteren Initiative der EU-Bankenregulierungsbehörde, um die europäischen Finanzinstitute strikter zu überwachen, sagte EU-Währungskommissar Olli Rehn am Rande des Ecofin-Treffens.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.12.2010)

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