Juncker: "Deutschland denkt ein bisschen simpel"

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BELGIUM EU ECOFIN EUROPEAN FINANCE MINISTERS MEETING(c) EPA (Olivier Hoslet)
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Der Streit innerhalb der EU um die richtigen Rezepte gegen die Euro-Krise eskaliert. Eurogruppen-Chef Juncker will Euro-Anleihen, Deutschland nicht.

Luxemburgs Ministerpräsident und Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker warf der deutschen Bundesregierung am Mittwoch simples Denken vor, weil sie gemeinsame Staatsanleihen der Euro-Länder strikt ablehnt. Regierungssprecher Steffen Seibert wies die Kritik zurück und unterstrich, gegen solche Eurobonds sprächen derzeit ökonomische und juristische Gründe.

Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte zur zielorientierten Sacharbeit und forderte vom EU-Gipfel kommende Woche ein starkes Signal für die Stabilität des Euro.

"Deutschland denkt ein bisschen simpel"

Nach den Vorstellungen Junckers könnten die Eurobonds die Spekulationen gegen hoch verschuldete Euroländer beenden. Nach der Stabilisierung Irlands durch den Rettungsschirm von EU und IWF stehen vor allem Portugal und Spanien unter Beschuss. Juncker schwebt vor, einen Teil der nationalen Schulden auf europäischer Ebene zu bündeln und durch gemeinsame Anleihen zu refinanzieren. Für den überwiegenden Teil ihrer Staatsschulden sollen die Euro-Länder aber wie bisher alleine bürgen.

Die deutsche Bundesregierung fürchtet, der Vorschlag könnte sie Milliarden kosten. Denn der Zins für Eurobonds dürfte deutlich über dem für die erstklassig bewerteten Bundesanleihen liegen. "Deutschland denkt da ein bisschen simpel", kritisierte Juncker in der "Zeit": "Diese Art, in Europa Tabuzonen zu errichten, und sich gar nicht mit den Ideen anderer zu beschäftigen, ist eine sehr uneuropäische Art, europäische Geschäfte zu erledigen." So würde es mitnichten zu einem einheitlichen Zinssatz kommen.

Merkel: "Ruhige Arbeit ist mein Beitrag"

Regierungssprecher Seibert sagte, Junckers Vorschlag sei nicht neu und von der deutschen Regierung ernsthaft geprüft worden. Durch einen einheitlichen Zinssatz würde der Anreiz verschwinden, national die Haushaltsdisziplin einzuhalten. Eurobonds sähen ein anderes Europa vor als das gegenwärtige. Merkel wollte auf Junckers Kritik nicht direkt reagieren. Sie sagte nur, die Diskussion über Eurobonds helfe nicht weiter. Die EU-Staaten sollten auf ihre Ziele kommende Woche "ruhig und zielorientiert" hinarbeiten: "Deshalb ist diese ruhige Arbeit mein Beitrag. Wir stehen alle zu einem starken Euro."

Indes hat auch der Wirtschaftsweise Peter Bofinger der deutschen Regierung wegen ihres strikten Neins zu gemeinsamen Eurobonds einen Mangel an europäischem Denken vorgeworfen. "Ich glaube schon, dass wir sehr national denken, sehr kurzfristig denken, dass wir an unsere eigenen Interessen in einem kurzfristigen Sinne denken", sagte Bofinger am Donnerstag im ARD-Morgenmagazin. Deutschland tue gut daran, mehr europäisch zu denken.

Bofinger: "Juncker hat völlig recht"

Bofinger unterstützt den Vorschlag von Juncker für Eurobonds. "Deswegen glaube ich hat Herr Juncker völlig recht: wir brauchen Eurobonds". Damit würden sich die Länder der Gemeinschaft in einem einheitlichen Wertpapier gemeinsam verschulden und die Differenzierung zwischen starken und schwachen Ländern aufheben. "Damit hat man die Möglichkeit, dass man von den Märkten nicht mehr gegeneinander ausgespielt wird", argumentierte der Wirtschaftswissenschaftler.

An dem Argument der Bundesregierung, dass Deutschland dann höhere Zinsen zahlen müsste, äußerte Bofinger Zweifel. "Mit den höheren Zinsen, muss man mal sehen", sagte er. "Ich bin mir nicht sicher, dass man tatsächlich höhere Zinsen bezahlen muss". Ungeachtet dessen gelte aber ganz grundsätzlich: "Es geht darum, diese Währungsunion zu erhalten", sagte Bofinger. Gerade Deutschland habe ein vitales Interesse daran, dass der Euro bestehen bleibt. "Und deswegen sollten wir auch bereit sein, im Zweifelsfall dafür etwas zu bezahlen und im Zweifelsfall dafür auch über den einen oder anderen Schatten zur springen".

IWF-Chef: Situation in Europa "beunruhigend"

IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn sagte, die Situation in Europa sei beunruhigend und die Zukunft unsicherer denn je. Eine Verzögerung bei der Schaffung eines effektiven Krisenmechanismus würde zu einer neuen Krise führen. Der EU-Gipfel soll die Pläne der EU-Finanzminister für einen dauerhaften Krisenmechanismus beschließen, der ab 2013 eine Beteiligung privater Gläubiger wie Banken an den Kosten künftiger Staatspleiten ermöglichen soll.

Für zusätzliche Irritationen sorgte, dass der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble am Dienstag nach einem EU-Finanzministertreffen in Brüssel Eurobonds auf lange Sicht nicht ausgeschlossen hatte. Ein Ministeriumssprecher stellte am Mittwoch klar, er habe lediglich auf den Zusammenhang hingewiesen, dass sich die Euro-Staaten in den 1990er-Jahren nicht dazu entschlossen hätten, ihre Haushaltspolitik zu vereinheitlichen. Wenn man nun das Zinsrisiko vergemeinschaften wolle, müsse man auch über die damalige Grundsatzentscheidung diskutieren.

"Nein zu Eurobonds nicht unsolidarisch"

Rückendeckung bekam die deutsche Bundesregierung aus den Reihen der Koalition. "Ich bin strikt gegen die Einführung der Eurobonds, schon weil sie die Refinanzierung Deutschlands erheblich teurer machen und die Sparanstrengungen unterminieren würden", sagte Michael Fuchs, der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Fraktion, zu Reuters. Der führende Haushaltsexperte der FDP-Fraktion, Otto Fricke, sagte der "Rheinischen Post": "Wenn ich die Finanzströme in Europa vermische, gibt es kaum noch einen Anreiz für die Schuldensünder, auf den Pfad der Tugend zurückzukehren."

Baden-Württembergs Europaminister Wolfgang Reinhart (CDU) sagte der Nachrichtenagentur Reuters, Bundestag und Bundesrat würden Eurobonds ablehnen: "Als wir den Euro-Rettungsschirm beschlossen haben, war es unabdingbare Geschäftsgrundlage, dass im Gegenzug eine strenge Haushaltskonsolidierung der Mitgliedstaaten erfolgen muss." Deutschland trage Verantwortung für einen stabilen Euro, das Nein zu Eurobonds sei deshalb nicht unsolidarisch.

(Ag.)

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