Wenn die EZB den Kauf von Staatsanleihen übertreibe, drohe sie "alles zu verlieren, was wir haben - nämlich unsere Unabhängigkeit", sagt der italienische Notenbankchef Mario Draghi.
Die Europäische Zentralbank droht nach Ansicht des italienischen Notenbankchefs und EZB-Mitglieds Mario Draghi ihre Unabhängigkeit zu verlieren, sollte sie beim Anleihen-Kauf über die Stränge schlagen. "Ich bin mir nur zu gut darüber im Klaren, dass wir ganz leicht eine Linie überschreiten und alles verlieren könnten, was wir haben - nämlich unsere Unabhängigkeit", sagte Draghi am Donnerstag in einem Interview der "Financial Times" mit Bezug auf die Anleihen-Käufe.
"Antwort sollte eine nationale sein"
Ihm sei auch bewusst, dass dadurch der EU-Vertrag verletzt werden könnte, fügte Draghi hinzu. Den Euro sieht der italienische Notenbankchef aber nicht in Gefahr. Er ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf die Nachfolge von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet.
Die Verantwortung für den Ausweg aus der Schuldenkrise liegt laut Draghi bei den einzelnen Regierungen. "Die wichtigste Antwort auf eine Krise sollte eine nationale Antwort sein - angemessene haushaltspolitische Maßnahmen und Strukturreformen, die das Wachstum wieder anschieben."
"Sparprogramme erzeugen Teufelskreis"
"Sparprogramme werden auch in Europa einen sich ständig verstärkenden Teufelskreis erzeugen, so lange, bis die Eurozone bankrottgeht oder auseinanderbricht", warnte hingegen der US-Ökonom James K. Galbraith am Donnerstagabend in Wien.
Den "einzigen Ausweg" aus der Anleihenkrise der Euro-Länder sieht Galbraith in den massiven Käufen der EZB. Die Wirtschaftskrise selbst könne nur mit einer Art neuem "New Deal" bewältigt werden (Gailbrights Vater John war in den 1940er Jahren Vizechef des "Preisadministrationsbüros" von Franklin D. Roosevelt).
Widersprüchliche EZB-Banker
Immer öfter sorgen die europäischen Notenbanker auf den Finanzmärkten mit widersprüchlichen Aussagen für Verwirrung. Statt Orientierung zu geben, würden einige in Zeiten der Krise die nationale Karte spielen, schreibt das "Handelsblatt" - was angesichts der bald 17 Mitglieder der Währungsunion an sich nicht überraschend sei.
EZB-Chef Jean-Claude Trichet würden die Zügel aus der Hand gleiten. "Trichet hat, ob er selbst es sich eingesteht oder nicht, an Macht verloren. Es gelingt ihm immer seltener die Reihen zu schließen im EZB-Rat - mit der Folge, dass die Ratsmitglieder inzwischen öfter ihre nationalen Interessen verfolgen, als vor der Krise", zitiert die Zeitung ein hochrangiges Notenbank-Mitglied. "Solange alles gut läuft, ist es immer einfacher. Jetzt in der Krise scheinen die Unterschiede, die es ja unter der Oberfläche immer gab, wieder stärker aufzubrechen", sagt Christoph Balz, Volkswirt bei der Commerzbank, dem "Handelsblatt" zufolge.
EZB will nicht frisches Geld drucken
Die EZB hat Euro-Zonen-Länder dazu gedrängt, geeignete Maßnahmen im Kampf gegen die Schuldenkrise zu ergreifen. Sie weigert sich beharrlich, ihr seit Mai bestehendes Aufkaufprogramm nach Vorbild der US-Notenbank Federal Reserve auszudehnen und frisches Geld zu drucken. Grund: Ein solches Vorgehen würde gegen die Statuten der EZB verstoßen, die sich hauptsächlich um stabile Preise kümmern soll.
(Ag.)