Ein Ultimatum an Spaniens Regierung

(c) AP (Victor R. Caivano)
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Die Ratingagentur Moody's gibt Spanien drei Monate Zeit für strukturelle Reformen, sonst werden die Staatsschulden weiter zurückgestuft. In den Banken schlummern zu viele Immo-Leichen, sie brauchen mehr Kapital.

Wien. Märkte sind auch nur Menschen – diese so schlichte wie verblüffende Erkenntnis über die oft dämonisierten Finanzmärkte verdanken wir Spaniens Notenbankpräsident Miguel Fernández Ordóñez. „Man darf nicht zornig auf sie reagieren“, empfahl er dieser Tage. „Das hilft nichts. Man muss ihnen mehr Informationen geben und sie wie Menschen behandeln, was sie letzten Endes ja sind.“

Auch hinter Ratingagenturen stehen Menschen. Eine Moody's-Analystin schaffte es mit ihrer gestrigen Drohung sogar, Spanien ihr Programm aufzuzwingen: Bis Mitte März müssen „mehrmals aufgeschobene“ Reformen umgesetzt sein, sonst werden die Staatsschulden weiter zurückgestuft. Schon im September hatte Moody's Spanien die Bestnote entzogen – als letzte der drei großen Agenturen, weshalb ihr die Regierung noch am liebsten Glauben schenkt.

Vor allem auf die „autonomen Regionen“ hat es die US-Agentur abgesehen. Ihnen fehle es an „fiskalischer Disziplin“, und die Zentralregierung versuche „zu zaghaft“, eine solche einzufordern.

Späte Einsicht, hohes Tempo

Dabei könnte Madrid als Vorbild dienen: Nachdem Premier Zapatero die Krise lange geleugnet hat, kämpft seine sozialdemokratische Regierung nun verbissen darum, einem griechisch-irischen Schicksal zu entgehen. Die Beamten müssen mit fünf Prozent weniger Gehalt auskommen. Der bisher rekordverdächtig hohe Abfertigungsanspruch von 45 Tagen pro Dienstjahr beträgt nun 20 bis 30 Tage (im Österreich-Schnitt sind es neun Tage). Das soll den Unternehmern Mut geben, mehr Mitarbeiter fix anzustellen. Die Mehrwertsteuer wurde erhöht, kleine und mittlere Unternehmen steuerlich entlastet. Firmengründungen sind künftig in einem Tag möglich. Die großen Flughäfen und die Lotterien werden teilprivatisiert.

Die durch den Immobilien-Crash ins Taumeln geratenen regionalen Sparkassen müssen ihr Heil in Fusionen suchen. Aus 46 schwachen „Cajas“ bleiben nur 18 lebensfähige Institute übrig. Trotz heftigen Widerstands der Regionalregierungen, die ihre willigen Financiers verlieren, werden sie dem politischen Einfluss entzogen und für den Kapitalmarkt geöffnet.

Zwei große Reformen aber stehen noch ganz aus. Ende Jänner soll das Pensionsantrittsalter von 65 auf 67 Jahre erhöht und die Frühpension eingedämmt werden. Noch innerhalb der Moody's-Frist ist auch, die Macht der Kollektivvertragsverhandler zu brechen, unter deren überzogenen Lohnabschlüssen die Wettbewerbsfähigkeit stark gelitten hat. Künftig sollen Verträge auf betrieblicher Ebene geschlossen werden können.

Warum der plötzliche Reform-Furor, warum die Drohungen, obwohl Spaniens Staatsverschuldung mit knapp 70 Prozent des BIPs unter dem EU-Schnitt liegt? Das aktuelle Defizit ist mit über neun Prozent weiter gefährlich hoch. Die Hilfe für 20 Prozent Arbeitslose schlägt massiv zu Buche. Dabei braucht der Fiskus Spielraum für die Banken. Nach Berechnungen der Schweizer UBS brauchen Spaniens Institute 70 bis 120 Mrd. Euro an Kapitalhilfen, um sich zu sanieren. Dazu müssten sie das Kernkapital auf zehn Prozent erhöhen und faule Immobilienkredite um 50 bis 60 Prozent abschreiben. Die Immobilienpreise sind nach Schätzungen immer noch um bis zu 15 Prozent zu hoch, die Blase also noch nicht ganz geplatzt.

Das Geld für die Sanierung könnte nur vom Staat kommen. Der hatte auch einen Hilfsfonds von bis zu 100 Mrd Euro in Aussicht gestellt, der bisher nur mit zwölf Mrd. in Anspruch genommen wurde. Ein solcher finanzieller Kraftakt ist aber nur zu schaffen, wenn die heuer stagnierende Wirtschaft wieder anspringt.

Dazu brauche Spanien ein neues Geschäftsmodell, meint Österreichs Handelsdelegierter Friedrich Steinecker: „Sie haben aufs Produzieren vergessen.“ An Wettbewerbsfähigkeit fehlt es auch der missbrauchten Cashcow Tourismus, bei der Masse statt Klasse regiert. Immerhin: Die Lohnabschlüsse lagen heuer deutlich unter der Inflationsrate, und die Kündigungen in der Krise führten – wie in den USA – zu starken Produktivitätszuwächsen. Wirtschafts-Staatssekretär José Manuel Campa signalisiert im deutschen „Handelsblatt“ weiterhin stolzen Optimismus: „Spanien schafft aus eigener Kraft die Wende.“ Seite 6

Auf einen Blick

Spanien droht eine neuerliche Rating-Rückstufung durch Moody's. Schon im September wurde die Bestnote entzogen. Dabei setzt die Regierung Zapatero gerade zahlreiche Reformen um. Aber die Wirtschaft stagniert – und die Banken brauchen mehr Geld.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2010)

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