EU: Krisen-Wachhund "bloß eine weitere Quasselbude"

Jean-Claude Trichet
Jean-Claude Trichet(c) AP (Martin Oeser)
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Heute tritt erstmals der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) unter Vorsitz von EZB-Chef Trichet zusammen. Zweifel an Unabhängigkeit und Schlagkraft werden laut.

Noch ehe der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) heute erstmals in Frankfurt zusammentritt, wird an der neuen Aufsichtsbehörde Kritik laut. Der ESRB soll über die Stabilität des gesamten europäischen Finanzsystems wachen.

Carsten Brzeski, Ökonom der ING Group, glaubt allerdings an ein zahnloses Instrument. "Wenn wir auf eine Institution hoffen, die uns vor der nächsten Krise schütze, dann ist sicher nicht der ESRB". Dieser sei "bloß eine weitere Quasselbude", sagt Brzeski der Finanz-Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge.

Vier neue Finanzaufsichtsbehörden

Mit dem ESRB will die EU Finanzkrisen wie jene nach dem Kollaps der US-Bank Lehman Brothers im September 2008 vermeiden. "Europa bekommt mit dem ESRB neben der EZB, die für die Preisstabilität zuständig ist, eine weitere gewichtige Institution, die sich einzig und allein für die Stabilität des Finanzmarktes einzusetzen hat", sagt Nowotny. "Die Idee ist exzellent", meint zwar auch Nick Kounis, Ökonom der niederländischen Bank ABN Amro. "Aber wenn das Ding keine Zähne hat, wird das nicht gut genug sein", gibt er zu bedenken.

Der 65-köpfige ESRB tritt heute in Frankfurt zum ersten Mal zusammen. Vorsitzender ist der Chef der Europäischen Zentralbank Jean-Claude Trichet. Vize-Vorsitzender ist Mervyn King, der britische Zentralbankchef. Österreich wird in diesem neuen Gremium durch OeNB-Chef Ewald Nowotny und den FMA-Vorstand Helmut Ettl vertreten. Der ESRB ist eine von vier neuen Behörden, die von der EU geschaffen werden, um die Finanzwelt zu regulieren. Die anderen drei sind die European Banking Authority (EBA), die European Insurance and Occupational Pensions Authority (EIOPA) sowie die European Securities and Markets Authority (ESMA).

Kritik an personeller Zusasmmensetzung

Warnungen und Empfehlungen des ESRB sollen nicht-öffentlich kundgetan werden. Das hält das Centrum für Europäische Politik (cep) für wichtig: "Denn es ist für eine schonungslose Analyse der Lage der Finanzmärkte essentiell, dass der ESRB keine Rücksicht auf etwaige Reaktionen am Kapitalmarkt nehmen muss." Kritik kommt vom cep hingegen an der personellen Zusammensetzung des ESRB: "Sie geht mit einem Interessenskonflikt für die Vertreter der nationalen Zentralbanken, der europäischen Aufsichtsbehörden und der EU-Kommission einher".

Die starke Rolle der Zentralbanken im Verwaltungsrat sei aus fachlicher Sicht nur teilweise sachgerecht: Die nationalen Zentralbanken seien mit der Beobachtung der Kapitalmärkte zwar vertraut. "Ob sie allerdings auch in der Lage sind, Risiken für die Versicherer rechtzeitig zu erkennen, darf angesichts ihrer mangelnden Erfahrung in der Beaufsichtigung dieser Märkte bezweifelt werden", urteilt das cep.

Zentralbanken im Interessenskonflikt

Das Stimmrecht der Zentralbanken verursache zudem einen Interessenkonflikt: "Sie können in die Lage geraten, sich selbst warnen oder Maßnahmen empfehlen zu müssen".

Nicht minder fragwürdig sei, dass ein Mitglied der Kommission als stimmberechtigtes Mitglied des ESRB seinem eigenen Organ "Empfehlungen zum einschlägigen Gemeinschaftsrecht" machen kann. "Das Kommissionsmitglied kann so den ESRB dazu nutzen, von der Kommission verfolgte politische Ziele durch den ESRB rechtfertigen zu lassen. Dies schwächt letztendlich aber die Autorität des ESRB", kritisiert das cep.

(Red.)

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