Davos: Die exklusiven Klassentreffen der globalen Elite

Davos exklusiven Klassentreffen globalen
Davos exklusiven Klassentreffen globalen(c) APA/HOPI-MEDIA/Bernhard J. Holzn (HOPI-MEDIA/Bernhard J. Holzner)
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Zur weltweiten Führungsschicht zählen geschätzte 7000 Menschen: Milliardenschwere Finanzjongleure, Wirtschaftsbosse, Politiker und Ideenlieferanten. Sie treffen sich Jahr für Jahr in einem Schweizer Bergdorf.

Bill Gates huscht in einem granatapfelroten Freizeithemd ums Eck. Allein. Der Microsoft-Gründer spricht vielleicht nicht so gern. George Soros, der 80-jährige Finanzjongleur, ist hingegen stets von einer Menschentraube umringt. Jetzt unterhält er sich gerade mit dem hünenhaften Briten Mark Malloch-Brown, dem sprühenden früheren Unter-Generalsekretär der UNO. Im Minutentakt pflügen Staats- und Regierungschefs aus allen Ecken der Welt vorbei, in ihrem Schlepptau Beraterdelegationen, die ihnen stets wie Kometenschweife folgen.

An der Bar stecken zwei Welterklärer die Köpfe zusammen: Kishore Mahbubani aus Singapur und der Jungstar der Geopolitologie, Parag Khanna. Bill Clinton rauscht mehrmals durchs Bild, immer eilig, immer lächelnd. Und vorher, im Auditorium, hat Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy eine Show abgezogen und seine Lieblingsrolle gegeben, den Retter der Erde. Auf dem Dach des Nebengebäudes, einem Wellnessbad, das tatsächlich „eau-la-la“ heißt, haben sich CNN und CNBC postiert. Bei klirrender Kälte holen sie Wirtschaftsbosse und Spitzenpolitiker vor ihre Kameras, im Hintergrund die pittoreske Schneelandschaft der Schweizer Berge.

Es ist wieder so weit: Die globale Elite trifft sich auf 1600 Meter Seehöhe zu ihrer alljährlichen Mischung aus Cocktail- und Wissensparty in Davos. Ob Star-CEOs wie der scheidende Eric Schmidt (Google), Carlos Ghosn (Renault-Nissan), Vikram Pandit (Citi), Staatenlenker wie Angela Merkel, Dmitrij Medwedjew, David Cameron, ob Wirtschaftspropheten wie „Doktor Doom“ Nouriel Roubini oder Pop-Pathetiker wie Bono Vox. Sie und Hunderte mehr waren alle dabei in Davos. 1400 Manager internationaler Topunternehmen waren in den Ski- und Kurort geladen, dazu Spitzenpolitiker, Wissenschaftler und Journalisten. Die Gästeliste füllt ein ganzes Buch.

75.000 Dollar Eintritt. Wer zu dem erlesenen Klub zugelassen werden will, muss entweder mächtig, vermögend oder ideenreich sein oder so jemanden sehr gut kennen. Die Superchecker lassen sich die Eintrittskarte zum Weltwirtschaftsforum (WEF) einiges kosten: Wer Zugang zu allen Diskussionen haben will, muss gerüchteweise 75.000 Dollar hinblättern. Die rund 25 strategischen Partner berappen jeweils angeblich sogar mehr als 500.000 Dollar.

Nur 6000 bis 7000 Menschen zählt David Rothkopf zur Crème de la Crème dieser weltweiten Führungsschicht. Er hat ein Buch über sie geschrieben: „Superclass“ – die „Superklasse“. Zwei Währungen sind in dem Klub anerkannt: Geld und die Macht, andere zu beeinflussen. Zur exklusiven Runde gehören die Chefs der großen Finanzimperien ebenso wie Hedgefondsmanager, Bosse weltumspannender Konzerne oder Medienzaren. Manche leiten die Macht nur von ihrem Amt ab: Politiker, Notenbanker, Diplomaten, Generäle. Andere sind kraft ihrer eigenen Leistung und Ideen wie Raketen an die Spitze geschossen.

Die neue Ikone dieser Durchstartergeneration ist der noch nicht einmal 30-jährige Facebook-Zampano Mark Zuckerberg, der neu definiert hat, was Gemeinschaft im digitalen Zeitalter bedeutet. Die Sprengkraft seiner Erfindung, seiner Informationstechnologie kann dieser Tage in Ägypten bewundert werden, wo sich die Protestbewegung gegen den alternden Diktator per Facebook organisiert hat.

Working rich. Zuckerberg ist keine Ausnahme. Die meisten Superreichen verdanken ihren Wohlstand nicht Daddy, sondern der eigenen Anstrengung. Unter den Top Ten der wohlhabendsten Menschen der Welt sind sechs Selfmade-Milliardäre. Die anderen vier haben die Imperien ihrer Familien ausgebaut.

Die globale Elite ist zu weiten Teilen eine Meritokratie. Sie verdient es, viel zu verdienen. Das räumte gegenüber der Journalistin Chrystia Freeland auch Emmanuel Saez von der Universität Berkeley ein, der an sich kein Freund der ungleichen Einkommensverteilung ist. In einer Studie zeigte er, dass zwischen 2002 und 2007 das oberste Hundertstel der US-Bevölkerung unschlanke 65 Prozent der Einkommenszuwächse in den USA einstreifte. Die meisten Mitglieder im Klub der Milliardäre seien nicht Couponschneider, sondern „working rich“ – „arbeitende Reiche“. Wir leben in einem Zeitalter, in dem „Nerds“, obsessive Intelligenzbestien, sehr schnell sehr reich werden können. Die neuen Krösusse der Welt bebrüten ihren Reichtum nicht autistisch, sie sind untereinander über alle Landesgrenzen hinweg erstaunlich gut vernetzt.

Bilderberger und Boao. Davos ist nur einer der Orte, in denen die internationalen Konferenz-Jetsetter regelmäßig zusammenkommen. Geheimnisumwoben sind die Treffen der Bilderberger, die jedes Jahr an einem anderen Ort stattfinden. Im Mittelpunkt ihrer Debatten stehen politische Fragen. Nur ausgesuchte Journalisten sind zugelassen, dürfen aber nicht berichten. China wiederum lockt die Entscheidungsträger auf die tropische Hainan-Insel zum Boao-Forum.

Im Sun Valley in Idaho geben sich die Medienmacher dieser Welt ein Stelldichein. Google hat „Zeitgeist“-Konferenzen ins Leben gerufen. 500 Gäste waren ins Grove Hotel, einen ehemaligen englischen Landsitz geladen. Unterhaltung gab es nur zu Beginn. Der Cirque de Soleil gab eine Sondervorstellung. Danach rauchten die Köpfe und die Videobeamer. Man begab sich auf die Suche nach der neuesten Innovation.

In Davos und anderen Treffen geht es nicht nur um Gesichtswäsche und Lobbying. Sinn der Übung ist es, die nächste Entwicklungswelle zu erkennen. Und es geht auch darum, die Welt zu erklären. Auch das ist ein Vorrecht der Elite: Phänomene und Probleme zu benennen. Die anderen werden ihre Interpretationen übernehmen.

Beim Weltwirtschaftsforum gibt immer noch Klaus Schwab den Rahmen vor. Die Veranstaltung ist seine Erfindung. Im Jänner 1971 rief der Deutsche zum ersten Mal in die Alpen. Er wollte europäische Geschäftsführer mit US-Managementmethoden vertraut machen. Nach wenigen Jahren bereits war Davos die Bühne der neuen Globalisierung. Mit dem Glanz und dem Geld kamen auch die Politiker.

Midas von Mexiko. Wer besonders viel auf sich hält, macht sich seine Konferenz selber. Etwa Carlos Slim, mit einem Vermögen von 53,5 Milliarden Dollar der reichste Mann des Planeten. Der Midas von Mexiko ruft regelmäßigen zum „Väter&Söhne“-Festival. Ähnliche Ambitionen hegt der ukrainische Pipeline-Magnat Viktor Pintschuk, der sich nicht nur als Kunstsammler mit eigenem Museum in Kiew, sondern auch als Gastgeber einer kleinen, aber feinen Tagung etabliert hat. Vergangenes Jahr lud er ans Schwarze Meer, in die Villa, in der Roosevelt und Stalin 1945 das Jalta-Abkommen unterzeichnet hatten. Seinem Ruf folgten Größen wie IWF-Präsident Dominique Strauss-Kahn und Bill Clinton. Der Ex-US-Präsident verfolgt sein eigenes Ding, die „Clinton-Global-Initiative“, die mittlerweile fast so viel Anziehungskraft entwickelt hat wie die in New York stattfindende UN-Generalversammlung.
Tanzender Oligarch. Der Glamourfaktor spielt eine Rolle bei diesen Treffen. Aber zählt letztlich nicht nur das Geschäft? Warum sonst nähme der Geldadel die kurvenreiche Anreise in die Schweizer Alpen in Kauf, um mit Trippelschritten über die vereisten Straßen von Davos zu schlurfen? „Hier pflege ich Kontakte, hier bekomme ich ein Gefühl für globale Trends“, sagt etwa der Österreicher Sigfried Wolf, der diesmal als Manager von Oleg Deripaskas Konsortium am Forum teilnimmt.

Sein Chef veranstaltete in Davos seine eigene Party. Der Champagner floss in Strömen, und der russische Oligarch tanzte. Am nächsten Tag stand er im Pullover in der „Industrial Lobby“ des Konferenzzentrums, schüttelte kurz Tony Blair die Hand und unterhielt sich dann angeregt mit Nathaniel Rothschild. Was den britischen Investor nach Davos lockt? „Man kann interessante Leute hier treffen, und außerdem lebe ich gleich im nächsten Dorf, in Klosters“, sagt er verschmitzt.

Die meisten anderen hatten eine bedeutend längere Anreise auf sich zu nehmen. Viele kamen wieder aus Asien und den USA, mehr als früher auch aus Lateinamerika. Auf dem Flughafen in Zürich, so hörte man, reihte sich jedenfalls ein privater Gulfstream-Jet an den nächsten. Die oberen 7000 haben die Krise gut überstanden. In Davos unterhielten sie sich auch darüber, ob und wann die nächste Krise kommt, aber nicht zu ausführlich. Es war sogar die Rede von einem neuen Superzyklus, angetrieben vom rasanten Wirtschaftswachstum. Es geht immer weiter in Davos. Die globale Elite wird auch nächstes Jahr wieder kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30. Jänner 2011)

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