Schuldenkrise: EU verhandelt griechische Insolvenz

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Die Verhandlungen über eine griechische Insolvenz nehmen immer konkretere Formen an. Gläubigern könnte schon bald das Angebot eines 25-prozentigen Verlustes gemacht werden. Der IWF und die EZB stehen hinter dem Plan.

Wien/Stef. Auch wenn die politische Führung Griechenlands dieses Szenario nach wie vor heftig dementiert: Hinter den Kulissen nehmen die Verhandlungen über eine griechische Insolvenz immer konkretere Formen an. Am Wochenende berichtete die Athener Zeitung „To Vima“, dass hochrangige EU-Politiker gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) intensiv an einem Modell zur Umschuldung arbeiten.

Dabei wollen sich die Lenker Europas an der Idee des früheren US-Finanzministers Nicholas Brady orientieren. Weil die Schuldenkrise in vielen lateinamerikanischen Staaten in den 1980er-Jahren immer aussichtsloser geworden war, entschloss sich Brady, die Sache in die Hand zu nehmen. Der Grund: Amerikanische Banken waren die größten Gläubiger Südamerikas, so wie es nun im Fall Griechenlands die europäischen Banken sind.

Verlust oder längere Laufzeit

Der US-Minister bot damals den Banken an, entweder deutliche Abschläge hinzunehmen oder einer längeren Laufzeit der Anleihen zuzustimmen. Um den Gläubigern die Idee schmackhaft zu machen, garantierte er für die Rückzahlung mit amerikanischen Staatsanleihen. Aus einer Forderung mit Ramschstatus wurde plötzlich eine Anleihe mit höchster Bonität. Allerdings war sie nicht mehr so viel wert wie zuvor.

Ein ähnliches Szenario blüht nun den Gläubigern Griechenlands. Die Hellenen könnten ihnen in einem ersten Schritt ein Angebot legen, ausstehende Staatsanleihen zu 75 Prozent des Wertes zurückzukaufen. Das Geld dafür soll vom IWF und der EU kommen und über einem Zeitraum von 30Jahren zurückbezahlt werden. Damit wäre das Problem der kurzen Laufzeit – vier bis fünf Jahre – vieler griechischer Anleihen gelöst. Selbst bei Umsetzung heftiger Sparprogramme gilt eine zeitgerechte Rückzahlung derzeit als nahezu unmöglich.

Mehr als die Hälfte der ausstehenden griechischen Anleihen ist im Besitz der EZB. Da die Zentralbank den Deal mit ausverhandelt, dürfte der Rückkauf kein Problem darstellen. Anders sieht die Sache bei den privaten Geldgebern, zum größten Teil europäische Banken, aus. Sie halten griechische Anleihen im Ausmaß von zumindest 100 Mrd. Euro. Und sie versuchen durch Lobbying, einen „Haarschnitt“ von 25 Prozent oder mehr mit allen Mitteln zu verhindern. Ihnen wäre ein weiteres Rettungspaket aus Staatsgeldern lieber.

Als zweite Lösung wird deshalb, ebenso wie in den 1980er-Jahren in Amerika, eine Verlängerung der Laufzeit diskutiert. Private Investoren könnten diesem Szenario zustimmen, wenn im Gegenzug für die Rückzahlung garantiert wird. Da die griechische Regierung schon längst nicht mehr als verlässlicher Gläubiger gesehen wird, müsste diese Rolle die EU oder der IWF übernehmen.

Klar ist: Egal, ob es zu einem direkten „Haarschnitt“ oder zu einer längeren Laufzeit kommt, es handelte sich de facto um eine Insolvenz Griechenlands. Die Gläubiger würden einen Beitrag zur Umschuldung leisten, weil sich der Wert der Anleihe auch automatisch verringert, wenn ihre Laufzeit steigt. Bislang standen vor allem die Regierungen der EU und der IWF für Griechenland gerade. 2010 segneten sie ein Rettungspaket in Höhe von 110 Mrd. Euro ab.

Auf einen Blick

Griechenlands Premier George Papandreou (Bild) sprach sich stets gegen eine Insolvenz seines Landes aus. Nun wurde bekannt, dass höchste EU-Kreise, der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank längst an einer Umschuldung arbeiten.

Die Staatsverschuldung Griechenlands liegt laut OECD seit 2001 stets bei über 100 Prozent der Wirtschaftsleistung. Das Haushaltsdefizit hat sich zuletzt zwar verkleinert, von 15 auf 9,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Der Schuldenberg wächst aber weiterhin rasant an, bis 2014 auf über 160Prozent des BIPs. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2011)

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