USA: Milliardendefizit dank iPhone

(c) Michaela Bruckberger
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Amerikanische Hightech-Produkte, die in China montiert werden, drücken auf die US-Handelsbilanz, weil der Preis des Endproduktes zur Gänze als Import gezählt wird. Wo die Gewinne hinfließen, zeigt eine Studie.

Wien. Die Verantwortlichen für das iPhone bei Apple mussten es ja wissen, als sie die Beschriftung ihres Smartphones festlegten: „Assembled in China“ – zusammengesetzt in China steht in kleinen Lettern auf der hinteren Abdeckung. „Made in China“ wäre tatsächlich eine Übertreibung. Nur 3,6 Prozent der Herstellungskosten eines iPhone entfallen auf China: Nämlich für die Montage bei der Firma Foxconn in Shenzen.

Trotzdem gehen die vollen Herstellungskosten von 179 Dollar (die Berechnungen beziehen sich auf das Jahr 2009) in die Handelsbilanz der USA ein. Und zwar als Import aus China, der das viel diskutierte Handelsbilanzdefizit noch verschärft. In Summe vergrößerte das iPhone das US-Handelsbilanzdefizit um 1,9Mrd.Dollar (1,4Mrd. Euro). Das entspricht 0,8Prozent des gesamten Defizits.

6,50 Dollar bleiben in China

Zwei Wissenschaftler der Tokioter Denkfabrik ADBI nahmen diesen Umstand kürzlich genauer unter die Lupe. Sie fanden heraus, dass bei einer Berechnung der Handelsbilanz auf Basis der tatsächlichen Wertschöpfung China mit dem iPhone nur 73 Mio. Dollar in die USA ausführt.

Apple lässt alle Komponenten für das iPhone von nicht chinesischen Firmen produzieren, diese sitzen unter anderem in Japan, Deutschland, Taiwan und den USA. Die zwei US-amerikanischen Firmen tragen zusammen mehr zu einem iPhone bei (10,75Dollar) als China (6,50Dollar). Unter dem Strich ergäbe sich also ein Überschuss der USA in der Höhe von 48,1Mio. Dollar – und kein Defizit von 1,9 Mrd. Dollar. Das Beispiel steht stellvertretend für zahlreiche Unschärfen.

Mark Doms, Chefökonom des US-Handelsministeriums, ist sich des Problems bewusst. Er hat jüngst in einer Radiosendung eingeräumt, dass die Handelsbilanz bei ihrer aktuellen Berechnungsmethode keine große Aussagekraft besitze. Derzeit fehle aber noch eine vernünftige Lösung für das Problem. Um eine Handelsbilanz auf Basis der Wertschöpfung zu erstellen, müssten Firmen die Herkunft aller Komponenten deklarieren. Und auch deren Einzelteile müssten gesondert zurückverfolgt werden.

Auch Pascal Lamy, Chef der Welthandelsorganisation (WTO), kritisierte die gebräuchlichen Berechnungsmethoden in einem Kommentar für die „Financial Times“. Diese Methoden hätten wunderbar funktioniert, als der Ökonom David Ricardo im 19. Jahrhundert den Außenhandel als Wohlstandstreiber propagierte.

„Made globally“ wäre angebracht

Heute jedoch gibt es kaum mehr Produkte, deren Wertschöpfungskette – von der Rohstoffförderung bis zur Verpackung – zur Gänze in einem Land liegt. Die meisten Produkte würden die Bezeichnung „made globally“ verdienen.

Die verzerrten Handelsbilanzen zeigen nicht das wahre Ausmaß des bilateralen Handels und können unter Umständen zu falschen Schlüssen und politischen Fehlentscheidungen führen.

Die Studie des ADBI rechnete vor, wie sich die oft geforderte Aufwertung des Yuan (Renminbi) auf den Handel mit Hightech-Produkten auswirken würde – wieder am Beispiel des iPhone: Würde der Wert des Yuan um 20 Prozent steigen, verteuerte dies das iPhone um nicht mehr als 1,30 Dollar. Selbst unter der Annahme, dass auch die Währungen aller anderen asiatischen Länder, in denen iPhone-Komponenten gefertigt werden, um 20Prozent teurer würden, stiege der Verkaufspreis um höchstens sechs Prozent an. Vorausgesetzt, Apple bestünde auf einer unveränderten Spanne zwischen Verkaufspreis und Herstellungskosten. Dieser Aufschlag lag 2009 bei 321 Dollar pro iPhone oder 64Prozent.

Wo die Gewinne hinfließen, zeigt eine Studie aus dem Jahr 2009. Ihr zufolge waren 2006 41.000 Personen an Produktion und Vertrieb des iPod beteiligt. Darunter 14.000 teils hoch qualifizierte Mitarbeiter in den USA. Und diese verdienten insgesamt mehr als doppelt so viel wie die 27.000 Beschäftigten im Rest der Welt. Trotz des Importüberhangs auf dem Papier erhält Apple somit eine große Zahl gut bezahlter Jobs in den USA.

Auf einen Blick

Apples iPhone trägt mit 1,9Milliarden Dollar zur Handelsbilanz der USA mit China bei. Apple lässt Komponenten aus diversen Staaten in China zusammensetzen. Nach üblicher Berechnungsmethode fließt allerdings der Wert aller Komponenten in die Handelsbilanz mit China ein.

Bei alternativer Berechnung auf Basis der Wertschöpfung ergäbe sich für das iPhone sogar ein Exportüberschuss der USA in Höhe von 48,1Millionen Dollar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2011)

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