Zwölf Prozent der weltweit produzierten Autos kommen aus Japan. Den Herstellern mit Toyota an der Spitze drohen jetzt Milliardenausfälle. Eine Verlagerung in ausländische Fabriken ist allerdings nicht einfach.
Wien/Ag./Nst. Die Autoindustrie gilt als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Japans. Nun ist die Produktion im Land weitgehend zum Erliegen gekommen. Der weltgrößte Autobauer Toyota hat alle zwölf Fabriken bis Mitte dieser Woche geschlossen. Bei Honda sollen die Bänder bis 20.März stillstehen. Auch Nissan setzte seine Fertigung zumindest bis heute, Dienstag, aus. Wie es weitergeht, ist aus heutiger Sicht schwer zu sagen.
Problematisch ist nicht nur, dass auch nicht beschädigte Fabriken mit der schlechten Stromversorgung zu kämpfen haben. Auch die von den Japanern zur Perfektion getriebene Just-in-time-Fertigung fällt ihnen nun auf den Kopf. Zulieferteile werden just zu jenem Zeitpunkt angeliefert, an dem sie für den Einbau in ein Fahrzeug vorgesehen sind. So wird der Aufbau von Lagerbeständen vermieden – womit Kosten gespart werden. Die landesweit eng verwobene Lieferkette ist nun jedoch unterbrochen. „Wenn diese Zulieferkette nicht funktioniert, dann bricht auch die Versorgung mit Zulieferteilen zusammen“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen.
Groben Schätzungen der Investmentbank Goldman Sachs zufolge kostet Toyota das Anhalten seiner Produktionsanlagen allein für einen Tag etwa sechs Milliarden Yen (rund 53 Millionen Euro). Die Schäden für Honda und Nissan werden von dem Institut mit je rund zwei Milliarden Yen beziffert.
Schaden von 25 Milliarden Euro
Allein die Autoindustrie ist für elf Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts verantwortlich – und sie zählt zu den größten der Erde. Rund jedes achte Auto wird in Japan produziert (siehe Grafik). In absoluten Zahlen bedeutet dies: Von rund 63,6 Millionen Autos weltweit werden 8,3 Millionen auf der Insel hergestellt. Mehr als die Hälfte der in Japan erzeugten Autos ist für den Export bestimmt.
Die Ausfuhren dürften nun merklich leiden. Dudenhöffer geht davon aus, dass wenigstens ein Teil der Produktion auf Fabriken außerhalb Japans ausgelagert werden kann. Schließlich betreiben fast alle japanischen Hersteller Fabriken in anderen Staaten, wie den USA. Toyota unterhält beispielsweise auch Werke in Europa und China. Allerdings nur, wenn die Lieferkette intakt ist.
Die Kosten, die durch die Katastrophe verursacht werden, schätzt Dudenhöffer so ein: Würde die Autoproduktion in Japan für einen Zeitraum von drei Monaten ausfallen, könnte das einen Schaden im Wert von 25 Milliarden Euro verursachen. Anders ausgedrückt: Japan würde im schlechtesten Fall 2,5 Millionen Autos gar nicht produzieren können. Im besten Fall wären es immer noch 1,6 Millionen Fahrzeuge.
In der Folge sind am Montag die Aktienkurse der Hersteller eingebrochen. Toyota könnte zudem seine Position als Weltmarktführer an General Motors (GM) verlieren. Schließlich liegen die beiden Hersteller, gemessen an den von ihnen produzierten Fahrzeugen, gar nicht so weit auseinander. Im Vorjahr setzte Toyota 8,42 Millionen Autos ab. Beim Rivalen GM waren es 8,39 Millionen. Auch andere Hersteller, wie Volkswagen, könnten profitieren.
Schon zuletzt hatte Toyota merklich zu kämpfen: Zum einen machte dem exportlastigen Konzern der starke Yen zu schaffen. Zum anderen litt der Konzern unter einer veritablen Imagekrise. Seit 2009 mussten nämlich rund 16 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt zurückbeordert werden. Das dürfte derzeit allerdings das geringere Problem sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2011)