Heftiger Streit um Paket zur Eurorettung

(c) AP (SVEN KAESTNER)
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Bis Freitag wollen die Regierungschefs der EU das Euro-Rettungspaket endlich unter Dach und Fach bringen. Der EU-Gipfel muss sich zuvor nochmals mit den Schwächen des neuen Euro-Krisenmechanismus beschäftigen.

Wien. Bis Freitag wollen die Staats- und Regierungschefs der EU das Rettungspaket für den Euro nach monatelangen Diskussionen endlich unter Dach und Fach bringen. Doch es braut sich im letzten Moment Widerstand zusammen. Zu viele Kompromisse haben nämlich das Euro-Rettungspaket zahnlos und unglaubwürdig gemacht.

Widerstand kommt auch aus einigen nationalen Parlamenten, die einer EU-Vertragsänderung noch zustimmen müssen. In Deutschland, Finnland, der Slowakei und weiteren Ländern wird dies nicht ohne heftige innenpolitische Kontroversen über die Bühne gehen. Auch in Österreich gibt es Widerstand der Opposition.

Die FPÖ sieht apokalyptisches Übel über Österreich hereinbrechen, das BZÖ stellt sich gegen eine „Transferunion“. Und auch die Grünen verweigern sich der notwendigen Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Sie verlangen ebenso wie die deutschen Christdemokraten eine Einbindung der nationalen Parlamente.

Die deutsche Bundesregierung will angesichts des Widerstands im eigenen Land im letzten Moment Nachbesserungen durchbringen. Immerhin wird Deutschland die größte Last bei künftigen Euro-Rettungsaktionen tragen. Wegen heftiger innenpolitischer Debatten in Finnland über dessen hohen Anteil an Garantien muss die Entscheidung über den Umbau des derzeitigen Euro-Rettungsschirms (EFSF) voraussichtlich verschoben werden.

Wir listen auf, aus welchen Elementen das Euro-Rettungspaket besteht und was daran problematisch ist:

1Der umstrittene Rettungsschirm macht 700 Milliarden Euro locker

Ab 2013 soll ein neuer Euro-Rettungschirm (ESM) errichtet werden. Er ist mit einer Kapitalbasis von 700 Mrd. noch größer als der bisherige mit 440 Mrd. Euro. Er wird aus einem eingezahlten Grundkapital von 80 Mrd. und Garantien in der Höhe von 620 Mrd. Euro bestehen.

Österreich wird 2,2 Mrd. Euro zum Grundkapital und 17,3 Mrd. an Garantien beisteuern. Das Geld soll Euroländern bei der Bewältigung ihrer Schuldenkrise helfen.

Problematisch daran ist, dass der Schirm Staatsanleihen direkt von den maroden Ländern kaufen darf. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat schon bisher Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt angekauft. Das bedeutet insgesamt, dass Staatsanleihen kaum noch marktgerecht bewertet werden und das Risiko für EZB und ESM damit unabsehbar wird. Problematisch ist auch, dass die Aktivierung des Rettungsschirms eine reine Entscheidung der Staats- und Regierungschefs ohne jegliche parlamentarische Kontrolle wird.

2Ein Pakt für den Euro ohne
Durchsetzungsmöglichkeiten

Im neuen „Pakt für den Euro“ verpflichten sich die Euroländer zu einer strengen Haushalts-, Steuer- und Sozialpolitik. Ziel ist unter anderem, dass sich die Löhne nach der Produktivität und das Pensionsantrittsalter nach der Lebenserwartung orientieren. Der Finanzsektor soll besser überwacht werden.

Problematisch daran ist, dass diese Ziele zwar von der EU-Kommission jährlich überprüft werden, es aber keinerlei Sanktionsmöglichkeiten gegen ein Fehlverhalten gibt.

3Verschärfter Stabilitätspakt ohne automatische Sanktionen

Um ausufernde Schulden einzelner Regierungen zu vermeiden, wird der Euro-Stabilitätspakt verschärft. Strafen gegen Budgetsünder werden früher verhängt und sind härter. Im Fall eines unverantwortlich hohen Defizits muss eine Regierung 0,2 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung in Brüssel als Pfand hinterlegen, bis sie ihr Budget wieder in Ordnung gebracht hat. Stärker als bisher rückt die Gesamtverschuldung in den Fokus der Brüsseler Währungshüter. Die EU-Kommission wird Vorgaben für den Abbau der Gesamtverschuldung machen, die zu befolgen sind.

Problematisch daran ist, dass es weiterhin keine automatischen Sanktionen gegen ein Fehlverhalten einzelner Regierungen gibt. Wie in der Vergangenheit können sich die Finanzminister gegenseitig einen Persilschein ausstellen. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hält diese Form der Aufsicht für unzureichend.

4Insolvenzverfahren ohne klare Regeln und Verantwortlichkeiten

Über den neuen Euro-Rettungsschirm ist eine Umschuldung von Ländern vorgesehen, die ihre Schulden nicht mehr in den Griff bekommen. Dabei werden private Geldgeber stärker haften als Staaten. Ab 2013 werden Anleihen mit einer entsprechenden Klausel versehen. Problematisch daran ist, dass damit zwar erstmals ein Instrument zur Staatsinsolvenz geschaffen wurde, es aber noch keine klaren Regeln und Verantwortlichkeiten gibt. Für angeschlagene Staaten kann es zudem durch die neuen Umschuldungsklauseln künftig noch schwerer werden, private Geldgeber zu finden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2011)

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