Deutschland: "Euro-Schirm ist eine Fehlsteuerung"

Deutschland EuroSchirm eine Fehlsteuerung
Deutschland EuroSchirm eine Fehlsteuerung(c) EPA (Vassil Donev)
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Die Berater des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble zeigen sich in einem Brief entsetzt über den neuen Rettungsschirm. Auf Österreich könnten Kosten von 3,6 Mrd. zukommen.

Wien/Red/Gau. Keine angenehme Post, die der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) da erhalten hat: Seine eigenen Experten üben in einem Brief scharfe Kritik am dauerhaften Euro-Rettungsschirm ab 2013, der beim EU-Gipfel vergangene Woche beschlossen wurde. Die Vereinbarungen seien „besorgniserregend“, zitiert der „Spiegel“ aus dem Schreiben des Wissenschaftlichen Beirats im Finanzministerium.

Für die 31 Ökonomen verfestigt der europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) die „Fehlsteuerung in der Finanzpolitik und auf den Kapitalmärkten“, weil Pleiteländer Hilfe von finanziell gesunden bekommen. „Das nimmt der Politik Anreize, Verschuldungs- und Finanzkrisen vorzubeugen.“

Von den stets betonten verschärften Bedingungen für Hilfskredite halten Schäubles Berater wenig. Ein echtes Drohpotenzial gebe es nur, wenn private Gläubiger auf ihre Forderung verzichten müssen. Das wird aber auch beim neuen Mechanismus nicht zwingend vorgeschrieben.

„Glaubwürdigkeit erschüttert“

Stattdessen müsse jede Umschuldung „im Einzelfall“ politisch verhandelt werden. Dabei werde nicht viel herauskommen, fürchten die Experten – weil die Politiker keinen allgemeinen Schuldenschnitt wünschen. „Damit ist die Glaubwürdigkeit des Verfahrens von vornherein erschüttert.“ Somit drohe der EMS „die Entwicklung der Eurozone zu beeinträchtigen und Deutschland sowie andere Geberländer zu überfordern“.

Andere Geberländer: Dazu gehört auch Österreich. Was muss uns der stabile Euro wert sein? Welche Kosten können uns aus den schon zugesagten Hilfen und der 2,8-Prozent-Beteiligung an dem neuen Finanzinstitut in Luxemburg entstehen? Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat drei Szenarien berechnet, deren Zahlen auf Österreich umlegbar sind.

Im günstigsten Fall geht das Institut davon aus, dass die Hilfe auf Griechenland, Irland und Portugal beschränkt bleibt – und dass sie nach drei Jahren ihre Schulden an Europa samt Zinsen zurückzahlen. Das würde Österreich nur leicht verkraftbare 80 Mio. Euro kosten. Realistischer dürfte sein, dass den Griechen ein Teil ihrer Schulden erlassen werden muss – das DIW rechnet mit 30 Prozent.

Kosten für Österreich in diesem Fall: 820 Mio. Euro. In der pessimistischen Variante muss zusätzlich Spanien unter den Rettungsschirm, und auch in Irland und Portugal kommt es zu einer Umschuldung. Abzuschreiben wären dann schon 1,5 Mrd.

Doch damit nicht genug: Die ESM-Bareinlage von 2,2 Mrd. ist für den österreichischen Staat zumindest vorübergehend verlorenes Geld. Zwar wird der Betrag angelegt und wirft Zinsen ab (im Kredibedarfsfall zahlen sie die Problemländer). Aber das Geld muss vom Geberstaat erst aufgenommen werden, und für diese zusätzlichen Schulden muss er selbst Zinsen zahlen. Vereinfacht (bei gleichen Zinssätzen) ist das ein Nullsummenspiel. Im Effekt entspricht die Einlage dann einem zinslosen Kredit. Nun ist durchaus anzunehmen, dass der EMS auf Dauer bestehen bleibt. Dann entspricht die Einlage einem zinslosen Kredit, der nie zurückgezahlt wird – und deshalb abzuschreiben ist. Aus dieser Überlegung heraus rechnet das DIW den Barwert der Einlage zu den Kosten.

So betrachtet wird es für Österreich deutlich teurer: 2,1 Mrd. Kosten im besten Fall, 2,9 Mrd. im mittleren Szenario, 3,6 Mrd. Euro im Worst Case. All das sind nur die heute bekannten, absehbaren Kosten. Das theoretische Verlustrisiko umfasst auch alle Garantien und liegt damit für Österreich bei 19 Mrd. Euro. Freilich geht niemand davon aus, dass die Haftungen schlagend werden. Aber Sicherheit gibt es für diese Sicherheiten nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2011)

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