Portugals Banken leihen dem Staat kein Geld

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Drei Institute kaufen in den nächsten Monaten keine Staatsanleihen mehr. So wollen sie die Übergangsregierung zwingen, noch vor Neuwahlen EU-Hilfe anzunehmen. Die Kurse erreichen neue Tiefststände.

Wien/Red./Gau. Die portugiesische Krise nimmt zunehmend skurrile Züge an. Die Schulden-Schatten des Staates werden immer länger, aber das brisante Thema bleibt selbst im Schatten eines erzwungenen Wahlkampfs. Mit einem denkbar schlechten Gespür für Timing hatte die konservative Opposition vor zwei Wochen die Regierung von Premier José Socrates zu Fall gebracht, indem sie einem neuen Sparprogramm die Zustimmung verweigerte.

Spätestens damit stand für eine große Mehrheit von Anleiheinvestoren und Analysten fest: Portugal wird um internationale Finanzhilfe nicht herumkommen und sich unter den Schirm von EU und Internationalem Währungsfonds retten müssen. Jetzt aber ist Wahlkampf, und keine Partei will sich die Finger verbrennen. Die zur Übergangsregierung degradierte Mannschaft um Socrates zieht sich auf eine bequeme Position zurück: Sie sei zur Zeit gar nicht legitimiert, über eine Finanzhilfe zu verhandeln.

Moody's und Fitch zeigen sich besorgt

Opfer der verlängerten Zitterpartie sind die portugiesischen Banken. Sie halten große Positionen an heimischen Staatsanleihen und bekommen nun das Misstrauen auf den Finanzmärkten voll zu spüren. Viele Institute können am Interbankenmarkt kein Geld mehr leihen. Die Ratingagentur Fitch stuft sie im Wochentakt zurück. Ihre Aktienkurse fallen. Nun schreiten sie zur Selbsthilfe. Am Montag marschierten ihre Chefs – die des Banco Espirito Santo, der Millennium bcp und des Banco BPI – in der Nationalbank auf und erklärten dem Gouverneur, dass ihre Institute in den kommenden Monaten keine Staatsschulden mehr kaufen werden. Das berichtet die Wirtschaftszeitung „Jornal de Negocios“.

Mit dem ungewöhnlichen Schritt wollen die Banker die Regierung dazu bringen, noch vor der Wahl am 5.Juni Finanzhilfe zu beantragen – und sei es nur zur Überbrückung: „Es ist unabdingbar, dass sich der Staat um einen kurzfristigen Kredit bemüht“, sagte Millennium-Chef Santos Ferreira am Montag im TV. Doch noch am selben Fernsehabend erlebten die Portugiesen ihren Premier, wie er sich neuerlich gegen Hilfe von EU und IWF verwehrte: „Ich werde alles tun, um Portugal vor einem solchen Szenario zu bewahren.“ Von Kolumnisten erntet er dafür nur noch Spott und Hohn: „Herr Socrates scheint der einzige portugiesische Bürger der nördlichen Hemisphäre zu sein, der nicht glaubt, dass das Land Hilfe von außen braucht“, schreibt Miguel Coutinho im „Diário Económico“.

Erst vorige Woche musste das Statistikamt das Defizit des Vorjahres von 7,3 auf 8,6 Prozent korrigieren. Der Grund: Durch die Eurostat-Vorgaben müssen die Schulden zweier verstaatlichter Banken eingerechnet werden. Dass der Fehlbetrag heuer, wie geplant, nur 4,6Prozent betragen wird – auch daran glauben nicht mehr viele Portugiesen.

Mit „geringerer Geschwindigkeit und Entschlusskraft der Politik“ begründet denn auch Moody's eine neuerliche Herabstufung der Staatsschuld um eine Stufe, von A3 auf Baa1. Als letzte der drei großen Agenturen vergibt sie seit gestern keine A-Note mehr. Die schlechtere Bewertung trieb die Renditen auf neue Rekorde. Zehnjährige Papiere stiegen auf über neun Prozent – der höchste Wert seit Einführung des Euro. Noch vor wenigen Monaten hatte Finanzminister dos Santos erklärt, Anleihezinsen über sieben Prozent könne sich Lissabon nicht leisten.

Euro-Finanzminister beraten

Jetzt scheint es ihm nur noch darum zu gehen, die nächsten Wochen über die Runden zu kommen. Vor 2013, wenn neue Regeln gelten, müssen die Investoren ja nicht fürchten, dass sie Zahlungsausfälle ihrer staatlichen Gläubiger selbst tragen müssen. Anleihen mit Laufzeiten von zwölf oder 15 Monaten lassen sich deshalb mit hohen Zinsen immer noch gut versteigern. Damit schafft es Lissabon, liquide Mittel für fällige Tilgungen langfristiger Schulden zusammenzukratzen. So verschiebt sich das Problem zeitlich nach hinten – und wird immer größer. Machen nun aber die Banken mit ihrem Käuferstreik Ernst, könnte es schon auf kurze Sicht knapp werden. Dann schlüge die Stunde einer „Zwischenhilfe“.

Von 15 Mrd. Euro ist die Rede. EU-Experten sprechen allerdings auch einem Überbrückungskredit die rechtliche Basis ab. Wie man da wieder rauskommt, soll sich auf Schloss Gödöllö in Ungarn weisen. Dort treffen am Freitag die Euro-Finanzminister informell zusammen, um eine Lösung für die verfahrene Lage in Portugal zu finden.

Auf einen Blick

Die Schuldenkrise in Portugal spitzt sich weiter zu: Drei große Banken kündigten bei einem Treffen in der Notenbank an, keine heimischen Staatsanleihen mehr zu kaufen. Damit wollen sie die Übergangsregierung dazu zwingen, noch vor den Neuwahlen am 5.Juni einen Überbrückungskredit der EU anzunehmen. Der kolportierte Bedarf liegt bei 15 Mrd. Allerdings dürfte dafür die rechtliche Grundlage fehlen. Moody's hat Portugals Staatsschulden neuerlich abgewertet; die Renditen erreichen neue Rekordwerte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.04.2011)

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