Portugal: "Finanzhilfe in der Höhe von 90 Mrd. Euro"

Portugal beantragt Finanzhilfe Europaeischer
Portugal beantragt Finanzhilfe Europaeischer(c) Reuters (Eric Vidal)
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"Portugal stellt ein sofortiges Hilfsersuchen an Brüssel", sagt der portugiesische Regierungschef José Sócrates. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigt das Ansuchen.

Das hoch verschuldete Portugal bittet die Europäische Union nun doch um Finanzhilfe. Der geschäftsführende Regierungschef José Sócrates verkündete den Antrag des ärmsten Landes Westeuropas am Mittwochabend offiziell. Nach Griechenland und Irland wäre Portugal damit das dritte Land, das am EU-Finanztropf hängen würde. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bestätigte das portugiesische Begehren und sicherte dem Land "schnellstmögliche" Hilfe zu. Der Rettungsfonds EFSF könnte bis zu 250 Milliarden Euro an finanzschwache Eurostaaten ausleihen. Im Gegenzug wird von dem Krisenstaat ein striktes Sparprogramm verlangt.

Die Aussicht auf EU-Hilfen für Portugal hat am Donnerstag die Furcht der Anleger vor einem Zahlungsausfall des Landes gedämpft. Die Kosten zur Absicherung eines zehn Millionen Euro schweren Kredites per Credit Default Swap (CDS) verbilligte sich um 24000 auf 530.000 Euro, teilte der Datenanbieter Markit mit.

Zeitung: Portugal braucht 90 Milliarden Euro

Nach der Ankündigung des Hilfsantrags haben im hochverschuldeten Euro-Land die Spekulationen über das Ausmaß der Finanzspritze eingesetzt. Die gewöhnlich gut informierte Wirtschaftszeitung "Diario Economico" schrieb, Lissabon werde in Brüssel 90 Milliarden Euro und damit 5 Milliarden Euro mehr als Irland beantragen. Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) geht von einer EU-Finanzhilfe in der Höhe von 60 bis 80 Milliarden Euro aus. Allerdings müssten die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen am morgigen Freitag erst klären, ob das Hilfsansuchen der Übergangsregierung des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Jose Socrates auch das Pouvoir habe, einen Antrag zu stellen.

Ärmstes Land Westeuropas

Die Maßnahme sei "unvermeidbar" gewesen, sagte Portugals geschäftsführender Regierungschef Sócrates in einer live im Fernsehen übertragenen Rede. Das ärmste Land Westeuropas wäre sonst zu hohe Risiken eingegangen. Die finanzielle Lage des Landes habe sich nach der Ablehnung des jüngsten Sparpakets der Minderheitsregierung durch die Opposition am 23. März "dramatisch verschlechtert".

Der Chef der oppositionellen Sozialdemokraten, Pedro Passos Coelho, bezeichnete den Hilfsantrag als "verspätet", sagte aber zu, die Regierung bei den Verhandlungen zu einem Hilfspaket zu unterstützen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) erklärte, es stehe ebenfalls zur Unterstützung Portugals bereit.

Kreditrating gesenkt

Die Regierung von Sócrates ist seit rund zwei Wochen nur noch geschäftsführend im Amt. Sócrates war am 23. März nach der Ablehnung seines Sparpakets zurückgetreten. Die Annahme des Programms galt als Voraussetzung dafür, dass Portugal sein Staatsdefizit wie versprochen in den kommenden Jahren wieder unter die erlaubte Marke von 3 Prozent der Wirtschaftsleistung drücken kann. Ratingagenturen haben deshalb mehrfach die Kreditrating des Landes gesenkt. Dementsprechend steigen die Zinsen, die Lissabon am Kapitalmarkt für neue Schulden zahlen muss, rapide.

Die Bitte Portugals um Finanzhilfe kommt unmittelbar vor einem informellen Treffen der Finanzminister der 17 Staaten umfassenden Eurozone und der 27 EU-Staaten am Freitag und Samstag in Gödöllö bei Budapest. Bei dem Treffen dürfte der Fall Portugal ganz oben auf der Tagesordnung stehen.

Sorge um Spanien

Bisher hatte die Regierung die Möglichkeit eines Hilfsantrags stets zurückgewiesen und darauf hingewiesen, sie sei vor den Neuwahlen am 5. Juni auch gar nicht dazu befugt. Erst am Montag hatte sich Sócrates in einem Fernsehinterview noch energisch gegen einen Hilfsantrag an die EU ausgesprochen. Er hatte gewarnt, ein solcher Schritt würde schlimme Folgen für die Portugiesen, aber auch für Europa haben. "Wenn Portugal fällt, dann werden der Euro und Europa geschwächt werden", sagte er. Ein Hilfsantrag könne nur das "allerletzte Mittel" sein. In der EU herrscht die Sorge, dass auch Portugals großer Nachbar Spanien in den Strudel der EU-Schuldenkrise geraten könnte.

(Ag.)

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