Der Euro liegt in den Händen Spaniens

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Nachdem sich Portugal unter den Rettungsschirm geflüchtet hat, wäre nach der „Domino-Theorie“ Spanien der nächste Kandidat. Die Investoren sehen es anders, aber in den Bankbilanzen ticken Bomben.

Wen nach einer Apokalypse gelüstet, der frage nach bei „Dr. Doom“. Seit Nouriel Roubini als einer von wenigen die große Finanzkrise vorausgesehen hat, gilt er als Experte für künftige Katastrophen. Und so kommentiert der US-Ökonom die Flucht Lissabons unter den EU-Rettungsschirm: „Die große Sorge gilt nicht Portugal, dafür ist es zu klein. Sondern, dass es Spanien ansteckt: ein Land, das zu groß ist, um fallen zu dürfen – und zu groß, um gerettet zu werden.“

Sonderlich originell ist die düstere Andeutung freilich nicht. Sie entspricht der bisher zutreffenden Domino- und Ansteckungstheorie. Erst Griechenland, dann Irland, nun Portugal: Wie Dominosteine sind die schulden- und krisengeplagten Euro-Peripheriestaaten umgefallen – in die Arme der EU und des Internationalen Währungsfonds, die sie nun mit hunderten Milliarden Euro und einer Reformagenda wieder finanzmarkttauglich machen müssen.

In der Theorie ist es damit nicht vorbei: Spanien, Italien und Belgien gelten als die nächsten Wackelkandidaten. Dass Spanien auf Portugal folgen könnte, liegt scheinbar nahe: Die beiden Volkswirtschaften sind eng verflochten. Spanien ist bei Weitem der größte Gläubiger des kleinen Nachbarn. 105Milliarden Euro stehen für Kreditgeber, Firmen und Käufer von Staatsanleihen auf dem Spiel.

Auch wenn das Risiko durch die Zuflucht zur EU-Hilfe geringer geworden ist: Spanien ist im Fokus. Wenn sich der Staatssektor der viertgrößten Euro-Volkswirtschaft nicht mehr refinanzieren könnte, hätte das Signalwirkung. Es würde Dämme brechen, für Italien, vielleicht gar für Frankreich. Das wäre wohl das Ende für den Euro. So blickt nun alles auf Spanien, genauer: auf José Luis Rodriguez Zapatero. Der Premier aber schließt eine Staatsschuldenkrise „zu 99,9 oder 100 Prozent“ aus. Auf den subtilen Unterschied zwischen völliger und fast völliger Gewissheit lässt sich Elena Salgado nicht ein. Für die resolute Wirtschaftsministerin ist eine Ansteckung „absolut ausgeschlossen“. Opposition und Medien stehen in einem nationalen Schulterschluss hinter der Beschwichtigungspolitik: Uns kann nichts passieren.

Die Aufschläge sinken

Das hörte man auch aus Athen, Dublin und Lissabon – bis kurz vor dem Fall. Entscheidend ist, wie die Anleiheinvestoren die Lage einschätzen. Sie scheinen „Dr. Doom“ freilich Lügen zu strafen: Im ersten Quartal haben sich die Risikoaufschläge und Versicherungsprämien für spanische Staatsanleihen vom Umfeld der Problemstaaten „entkoppelt“ und sind deutlich gesunken. Eine ähnliche Entwicklung nehmen die Titel von Italien, Belgien – und (auf besserem Niveau) Österreich mit seiner abgesagten Osteuropa-Bankenkrise. Die erwartete Kapitulation Portugals ist längst eingepreist. Bei einer gestrigen Auktion in Madrid wurde ein niedrigerer Zins als vor einem Monat verlangt.

Die Investoren würdigen den Reformkurs: Kürzungen der Beamtengehälter, ein liberalerer Arbeitsmarkt, Fusionen bei den zersplitterten Sparkassen. Die Reformen erfolgen, nach einem viel zu späten Start, nun konsequenter als in Portugal. Die konservative Opposition murrt, schießt aber nicht quer wie in Lissabon. Zapateros Ankündigung, er werde nicht mehr kandidieren, lässt das Vertrauen wachsen: Er muss keine Geschenke mehr verteilen, sondern sich nur noch vor der Geschichte rechtfertigen.

Und während Portugal sich nicht aus der Rezession befreien kann, wächst die spanische Wirtschaft wieder – wenn auch nur moderat. Die Richtung stimmt, aber jede Erschütterung kann Spanien vom Kurs abbringen. Und eine Bombe tickt weiter, weil sie nie ganz entschärft wurde: die Bauprojekte und Hypothekenkredite in den Bilanzen der Sparkassen. Sie waren die großen Akteure der Immobilienblase und die großen Opfer ihres Platzens.

Wurden die Aktiva ausreichend abgeschrieben? Das Immobilien-Fachportal Idealista hält die Bewertungen für „reine Fantasie“ und schätzt den Kapitalbedarf für die „Cajas“ auf bis zu 100 Milliarden Euro. Die Notenbank kalkuliert nur mit 15 Milliarden. Dazu kommt die Privatverschuldung. Eine Wohnung nur zu mieten ist in Spanien unbeliebt. 80 Prozent leben im Eigenheim – auch solche, die es sich nicht leisten können. Sie blicken besorgt nach Frankfurt, wo die EZB gestern die Zinsen um 0,25Prozentpunkte angehoben hat. Zwei Schritte sollen heuer noch folgen. Wenn dann das Volumen an faulen Krediten deutlich steigt, wird es für Spaniens Banken eng – und Dr. Doom könnte mit seiner Sorge recht behalten.


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("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2011)

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