"Griechen-Pleite könnte Lehman in Schatten stellen"

Lehman Brothers world headquarters is shown Monday, Sept. 15, 2008 in New York. Lehman Brothers, burd
Lehman Brothers world headquarters is shown Monday, Sept. 15, 2008 in New York. Lehman Brothers, burd(c) AP (Mark Lennihan)
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EZB-Chefökonom Jürgen Stark warnt vor einer Umschuldung des Landes. Ein schmerzfreier Weg aus der Krise sei eine Illusion, betont er.

Es gebe "keinen schmerzfreien Weg aus der Schuldenkrise", sagt EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im "heute.de"-Interview. Er warnt vor der Umschuldung in Bedrängnis geratener Euro-Staaten. Eine Schuldenreduzierung erscheine zwar vielleicht als der einfache Weg, die zugrunde liegenden Haushalts- und Strukturprobleme würden dadurch aber nicht gelöst.

"Die wirtschaftlichen und politischen Risiken, die eine Restrukturierung von Staatsschulden in einem industrialisierten, europäischen Land mit eng verflochtenen Finanzmärkten in sich birgt, sind schwer zu kalkulieren. Darüber hinaus wäre eine Umschuldung kurzsichtig und für das betroffene Land mit erheblichen Nachteilen verbunden", warnt Stark.

Einfache Schuldenreduzierung eine "Illusion"

Und Stark wird konkreter: "Die Regierung des betroffenen Landes wäre voraussichtlich auf unabsehbare Zeit von den Finanzmärkten abgeschnitten und auf fremde Finanzhilfe angewiesen. Darüber hinaus würde das Bankensystem der betroffenen Länder an die Grenze der Insolvenz gedrängt und für seine Stabilisierung müsste sich die Regierung erneut stark verschulden".

Es sei eine Illusion, eine Haushaltskrise durch einfache Schuldenredizierung zu lösen. "Die einzig tragfähige Möglichkeit ist die konsequente Umsetzung der Reformprogramme und die vollständige Rückzahlung aller ausstehenden Schulden".

"Könnte Lehman in Schatten stellen"

Stark hält eine neue Bankenkrise für möglich. Angesichts extrem miteinander verflochtener Finanzmärkte könnten die Folgen aber weitreichend sein. "Im schlimmsten Fall könnte die Umschuldung eines Mitgliedslands die Auswirkungen der Lehman-Pleite in den Schatten stellen. Diese Risiken werden in der aktuellen Debatte allzu oft vernachlässigt - zu Unrecht", fügt der Ökonom hinzu.

Indes kommen aus Griechenland weitere Hiobsbotschaften. Die finanzielle Lage des Schuldensünders ist noch ernster als bisher bekannt. Die Europäische Statistikbehörde Eurostat revidierte am Dienstag die Haushaltsdefizite von Griechenland und Portugal weit über die nationalen Daten hinaus nach oben. Nach neuesten Zahlen lag 2010 in Griechenland der Fehlbetrag im Haushalt bei 10,5 statt 9,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). Das Defizit Portugals belief sich auf 9,1 statt 8,6 Prozent. Erlaubt sind nach dem Maastricht-Vertrag höchstens drei Prozent.

Umschuldung weiter im Gespräch

Die schlechten Zahlen dürften die Diskussion um eine mögliche Umschuldung des pleitebedrohten Griechenlands befeuern. Vor einem Jahr hatten die Europäer und der IWF ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro geschnürt, um Athen vor dem Staatsbankrott zu retten.

Das griechische Finanzministerium führte das höhere Staatsdefizit am Dienstag vor allem auf den Einbruch der griechischen Wirtschaft zurück. Nach Angaben des Statistischen Amtes (ELSTAT) war die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent geschrumpft, wodurch die Steuereinnahmen sanken. Die Talfahrt dauerte auch in den ersten drei Monaten des Jahres an.

Zahlen lösen Unbehagen aus

An den Märkten und bei Volkswirten lösten die Daten Unbehagen aus. "Die heutigen Zahlen zeigen, dass der Weg zu einer nachhaltigen Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen noch sehr weit ist", schrieben Volkswirte der Commerzbank. Zwar habe Athen die Defizitquote im vergangenen Jahr gegenüber 2009 um knapp fünf Prozentpunkte von 15,4 auf 10,5 Prozent gedrückt. "Viele werden aber daran zweifeln, dass ähnliche Fortschritte in den kommenden Jahren möglich sein werden."

Von allen EU-Ländern stand Griechenland im vergangenen Jahr auch am schlechtesten beim öffentlichen Schuldenstand gemessen am BIP dar. Mit 142,8 Prozent war Athen absoluter Spitzenreiter - erlaubt sind 60 Prozent.

(Ag.)

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