Der starke Euro bremst die gute Konjunktur

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Bleibt der Kurs auf dem aktuellen Niveau, kostet das 0,4 Prozentpunkte Wachstum. Deutlich spüren werden das die Exporteure im zweiten Halbjahr.

Wien/Gau. Die österreichische Industrie sendet positive Signale aus. Die heimischen Unternehmen sehen die aktuelle Geschäftslage nochmals besser als vor drei Monaten. Das ergibt die Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung (IV) unter ihren Mitgliedern.

Die Erwartung für die Situation in einem halben Jahr stabilisiert sich auf hohem Niveau. Damit liegt Österreich besser als Deutschland, wo sie seit zwei Monaten leicht zurückgeht. Aber für beide Länder bedeute das Nachlassen der Wachstumsdynamik „keineswegs das Ende des Aufschwungs“, sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

Denn „dass die Erwartungen nicht laufend weiter steigen, ist für eine längere Erholungsphase ganz normal“. Wohlgemerkt: Erholung, aber nicht Hochkonjunktur. Die gab es das letzte Mal in den Jahren 2006 und 2007, und damals bewerteten die Firmen ihre Ertragssituation doppelt so gut wie heute. „Aber wir haben das klare Potenzial für einen selbsttragenden Aufschwung“, resümiert Helmenstein.

In Zahlen gegossen, erwarten die Interessenvertreter der Unternehmer für heuer weiterhin ein Wirtschaftswachstum von 2,25 Prozent, „mit guter Luft nach oben“. Das liegt auf der Linie der Prognose der heimischen Wirtschaftsforschungsinstitute. Damit dürfte Österreich heuer jedenfalls wieder das Vorkrisenniveau von 2008 erreichen.

„Gleichgewicht der Schwäche“

Allerdings: Es wäre mehr drinnen, und zwar konkret 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte. Denn ein Eurowechselkurs zwischen 1,45 bis 1,50 Dollar hemmt die Konjunkturentwicklung. Das zeigt sich bereits aktuell: Während der Auftragsbestand insgesamt weiter steigt, knickt die Kurve bei den Auslandsaufträgen ab. Deutlich spüren werden das die Exporteure im zweiten Halbjahr, erwartet die IV – vorausgesetzt, der Eurokurs bleibt weiter auf dem aktuellen Niveau. Davon geht Helmenstein freilich aus. Trotz der Schuldenkrisen in den Peripheriestaaten sei der Euro, in einem „Gleichgewicht der Schwäche“ unter den Weltwährungen, in Relation zu Dollar und Yen richtig bewertet. Als „Signal“ dafür sieht Helmenstein die Zinswende, die sich die Europäer „als Einzige leisten können“.

Anders als in Europa, wo Griechenland, Irland und Portugal zusammen „weit weniger“ als ein Zehntel der Wirtschaftsleistung der Eurozone ausmachen, sei „die Schuldendynamik in den USA ungebrochen“ – auch dann, wenn sich Demokraten und Republikaner bald wie erwartet zu einem Budgetkompromiss zusammenraufen (müssen).

Job-Boom durch Ostöffnung

Zusätzlich akute Sorgen macht, dass die US-Notenbank Fed Ende Juni vermutlich ihr Programm zur geldpolitischen Lockerung auslaufen lässt. Schon jetzt ist die Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen schwach, obwohl die Fed zum Teil selbst Bonds auf dem Kapitalmarkt kauft. Wenn sie diese Papiere bald in großer Menge auf den Markt wirft, wer soll das kaufen – ohne dass die Kurse sinken und damit die Zinsen für den Schuldner Staat steigen?

Weit weniger problematisch als den hohen Eurokurs sieht die IV den steigenden Ölpreis („da sind schon 20 Dollar Risikoprämie eingepreist“) und die im Euroraum nun wieder steigenden Zinsen. Die Erhöhungen fallen, mit Rücksicht auf die Problemstaaten am Rande, so moderat aus, dass sie für starke Länder wie Deutschland und Österreich leicht verkraftbar sind.

Das zeigt sich auch bei den Investitionen, die lange als Bremsklotz der Erholung gegolten haben und nun ebenfalls anziehen. Grund dafür ist die steigende Kapazitätsauslastung, aber auch der Rückstau bei den Ausrüstungsinvestitionen: Unternehmen, die seit 2008 nicht mehr investiert haben, müssen ihren Maschinenpark wieder auf den aktuellen Stand bringen. Nur der Bau, der sich in weit längeren Zyklen des Auf- und Abschwungs bewegt, bleibt weit hinter der sonstigen Dynamik zurück. Immerhin wird es dort heuer, nach Jahren des starken Rückgangs, kein Minus mehr geben.

Ein Detail der Umfrage springt ins Auge: Die Erwartung der Unternehmen in Bezug auf ihren Beschäftigtenstand in drei Monaten steigt steil an, viel stärker als die Erwartung für die Produktionstätigkeit. Die IV sieht darin einen einmaligen Effekt, der der Öffnung des Ost-Arbeitsmarktes zu verdanken ist: Der schon länger bestehende Mangel an Facharbeitern kann nun mit einem Schlag behoben werden.

Auf einen Blick

Die Industriellenvereinigung erwartet auf Basis ihrer Mitgliederbefragung einen weiteren Aufwärtstrend für Österreichs Wirtschaft. Zum stärksten Hemmnis wird der hohe Eurokurs. Die Exporteure dürften ihn vor allem im zweiten Halbjahr deutlich spüren. Weit stärker als die Produktion wird in den kommenden drei Monaten der Beschäftigtenstand in der Industrie steigen. Grund ist die Öffnung des Ost-Arbeitsmarktes. Die Unternehmen nutzen sie, um ihren Facharbeitermangel auszugleichen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2011)

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