Teuerung: Indien droht zweistellige Inflationsrate

(c) AP (Gurinder Osan)
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Die indische Zentralbank hat den Leitzins deutlich angehoben. Analysten sehen den Zinssatz trotz der Erhöhung immer noch als zu niedrig an. Den stark steigenden Preisen kann kaum noch Einhalt geboten werden.

Wien/Stef. Acht Mal hat Indiens Zentralbank im vergangenen Jahr die Leitzinsen angehoben. Eine weitere Erhöhung war auch gestern, Dienstag, erwartet worden. Doch das Ausmaß überraschte: Analysten rechneten mit einem Plus von einem Viertelprozentpunkt. Zu wenig, um die enorme Inflation zu bekämpfen, befand die Zentralbank und erhöhte den Zinssatz von 6,75 auf 7,25 Prozent.

Anders als Nachbar China kämpft Indien seit Jahren damit, dass die Preise genauso schnell steigen wie die Wirtschaft wächst. Die Weltbank erwartet für das Schwellenland heuer ein Wachstum von neun Prozent, die Inflation liegt bei exakt 8,98 Prozent.

Ein steigender Leitzins soll die Teuerung im Normalfall eindämmen, weil Kredite für Investitionen teurer werden und die Leute sparen statt zu investieren. Doch Analysten sehen den Zinssatz trotz der Erhöhung immer noch als zu niedrig an: „Wir erwarten heuer eine zweistellige Inflationsrate“, sagt Talmur Baig, Chefökonom für Indien bei der Deutschen Bank.

Genauso wie die anderen Schwellenländer hat auch Indien mit der Geldschwemme der weltgrößten Notenbanken, allen voran die Federal Reserve, zu kämpfen. Die Fed kündigte zwar an, ihr Programm zum Kauf von Staatsanleihen in Höhe von 600 Mrd. Dollar nicht weiter auszuweiten. Allerdings wird die US-Notenbank auslaufende Anleihen auch weiterhin durch neue ersetzen.

Künstlich hohe Löhne als Problem

Anleger kaufen mit den freigesetzten Geldern unter anderem Rohstoffe. Das verteuert weltweit die Lebensmittelpreise – die ländliche Bevölkerung in Schwellenländern leidet darunter besonders.

Allerdings sieht sich Indien, anders als vergleichbare Staaten, auch mit einer sehr hohen Kerninflation konfrontiert. Berücksichtigt man die Teuerung bei Benzin und Lebensmitteln nicht, stiegen die Preise im ersten Quartal immer noch um 7,2Prozent. Zu Jahresbeginn lag der Wert bei fünf Prozent.

Ein Problem: Die Regierung ordnet Unternehmen an, höhere Löhne zu bezahlen, damit die Bevölkerung die Inflation weniger stark spürt. Auch wenn damit Unruhen zumindest vorübergehend abgewendet werden: Ökonomen warnen, dass sich auf diese Art eine gewaltige Blase bildet. Deren Platzen zöge die Bevölkerung mehr in Mitleidenschaft als vorübergehend geringere Reallöhne.

Die unerwartet starke Zinserhöhung vom Dienstag ist ein Indiz, dass die Zentralbank die Zeichen der Zeit erkannt hat. „Die Inflation zu senken hat Vorrang, auch wenn das Wachstum kostet“, sagte der Notenbankchef. Analysten erwarten noch vor Sommer weitere Zinserhöhungen. Dass damit eine zweistellige Inflationsrate noch abgewendet werden kann, glauben aber nur noch wenige.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2011)

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