Griechisches Drama ohne Schlussakt

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Ausweg aus der Schuldenkrise: In der Eurozone liegen die Nerven blank. Das 110-Milliarden-Euro-Programm für Griechenlands Sanierung funktioniert nicht. Nun nimmt eine Umschuldung des bankrotten Landes Form an.

Brüssel. In der Eurozone liegen die Nerven blank. Wie blank, das zeigt der Umstand, dass sogar seriöse Medien wie „Spiegel Online“ mit der Wiedereinführung der Drachme als Währung Griechenlands spekulieren. Am Montag wiederum hat die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit des Landes herabgestuft. Verlässt Griechenland also die Währungsunion?

Neues Drehbuch nötig

Nein. Tatsächlich geht es aber um etwas anderes. Nach einem Jahr beharrlichen Leugnens müssen sich Europas Regierungen eingestehen, dass der griechische Albtraum nur dann ein Ende findet, wenn man Athen einen Teil seiner Staatsschuld von bereits fast 150 Prozent der Wirtschaftsleistung streicht. Die populäre Vorstellung, dass die „Schummelgriechen“ nur ordentlich sparen müssten, damit sich ihre Volkswirtschaft und ihr Staatshaushalt wieder einrenken, hat sich als irrig erwiesen. Denn um die jährliche Neuverschuldung von heuer erwarteten 7,5 Prozent wie geplant bis 2014 auf unter drei Prozent zu senken, reichen Sparmaßnahmen nicht. Da müssen neue Staatseinnahmen her.

Doch was soll man besteuern? Die Wirtschaft schrumpft, heuer um mindestens drei Prozent. Immer mehr junge Griechen verlassen das Land angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, Anleger ziehen ihre Vermögen ab, von neuen Investitionen ist keine Spur.

Darum müssen Europas Regierungen das Drehbuch des griechischen Dramas ändern. Sie müssen ihre Bürger und die Investoren auf den Finanzmärkten behutsam mit der Vorstellung vertraut machen, dass die griechische Staatsschuld doch schon vor dem Sommer 2013 restrukturiert wird.

Doch hier gibt es ein Problem. Wer bisher griechische Bonds zeichnete, musste nicht damit rechnen, im Krisenfall zum Handkuss zu kommen und einen Teil seiner Forderungen als uneinbringlich abschreiben zu müssen. Erst ab dem Sommer 2013 wird das so sein, denn alle Euroländer müssen dann bei der Begebung ihrer Anleihen entsprechende Vertragsklauseln einfügen.

Eine kalte Enteignung der Anleger ist faktisch unmöglich. Darum ist zu erwarten, dass die Regierungen der Eurozone ein Modell anwenden, das vor 20 Jahren bereits in der Südamerika-Krise funktioniert hat. Damals begab die US-Regierung auf Initiative von Finanzminister Nicolas F. Brady Anleihen, gegen die die US-Banken ihre großteils wertlosen, weil uneinbringlichen südamerikanischen Kreditportefeuilles eintauschen konnten.

Vehikel für so eine Umtauschaktion gäbe es schon: den Euro-Rettungsschirm EFSF mit Sitz in Luxemburg. Dieser finanziert das 80-Milliarden-Euro-Programm für Irland und demnächst das 78-Milliarden-Euro-Paket für Portugal. Allerdings müsste man sein Statut ändern, um ihm den Kauf von griechischen Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt zu erlauben. Dazu brauchte es Einstimmigkeit aller Euroländer – also auch der Deutschen.

Es liegt an Merkel

Kanzlerin Angela Merkel steckt in der Zwickmühle. Einerseits sind ihre Bürger und ihr Koalitionspartner FDP nicht bereit, den Griechen frisches Geld zuzuschießen, andererseits aber ist der Verbleib Griechenlands in der Eurozone im ureigenen Interesse der deutschen Wirtschaft. Laut der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hatten deutsche Banken per Ende 2010 rund 34Milliarden Dollar an griechischen Forderungen in ihren Büchern. Deren Totalausfall wäre ein schwerer Schlag für das deutsche Kreditwesen – und damit für den deutschen Mittelstand.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.05.2011)

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