Griechenland: "Alle Alternativen sind schrecklich"

Griechenland Alle Alternativen sind
Griechenland Alle Alternativen sind(c) AP (NIKOLAS GIAKOUMIDIS)
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Athen habe drei Möglichkeiten, der Lage Herr zu werden, sagt der Chef des Ifo-Instituts. Der Kreditfluss sollte jedoch reduziert werden. Das Land sitzt auf einem Schuldenberg von 340 Mrd. Euro.

Berlin/Athen. „Wir brauchen den Euro.“ Das stellte Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts und Wirtschaftsprofessor an der Ludwig-Maximilians-Universität, gleich einmal klar. Er wolle nicht als Kritiker des Euro missverstanden werden, sagte er zu Beginn seines Vortrags an der Humboldt-Universität in Berlin, der Montagabend einen großen Hörsaal prall füllte. Der Titel: „Warum Deutschland ein Schulden-Tsunami droht“.

Aus aktuellem Anlass kommt Sinn schnell auf Griechenland zu sprechen, und auch hier will der Ökonom ein Missverständnis aufklären: Er fordere nicht den Austritt Griechenlands aus der Eurozone. Gerade erst hat Sinn gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ einen Austritt Griechenlands als „das kleinere Übel“ bezeichnet. Dann nämlich könne es abwerten und wieder wettbewerbsfähig werden, so seine Erklärung. Dies sei aber keine Empfehlung gewesen, präzisiert er nun, er habe lediglich die Möglichkeiten aufgezählt; die Journalisten neigten dazu, Dinge zu überspitzen. „Ich möchte es eine griechische Tragödie nennen“, führt Sinn an der Humboldt-Universität aus; eine solche sei dann gegeben, „wenn die Handlungsalternativen alle schrecklich sind“.

1500 Mrd. Euro schwere Rettung

Prinzipiell gebe es für den hoch verschuldeten griechischen Staat drei Varianten. Erstens: Fortdauernde Transfers, was langfristig nicht möglich sei. Zweites: Austritt aus dem Euro und Abwertung der Landeswährung („Die Banken muss man dann neu aufstellen“) oder drittens: interne Abwertung (etwa durch Lohnkürzungen). Aber auch Letzteres gehe nicht, jedenfalls nicht im nötigen Umfang – „das würde das Land an den Rand des Bürgerkriegs bringen“.

Er sei für die EU-Rettungspakete, betonte Sinn, sie dürften aber nicht zu groß werden. „Was auf dem Tisch liegt, entfernt uns von der Lösung.“ Die einzige Möglichkeit bestehe darin, den künstlichen staatlichen Kreditfluss „allmählich und behutsam“ zu reduzieren. „Dieses Zudrehen des Hahnes vermisse ich bei den Rettungsaktionen.“

Die Rettungspakete belaufen sich, wie Sinn vorrechnet, auf 1500 Mrd. Euro, das Ausfallrisiko für Deutschland betrage knapp 400 Mrd. Euro. Im vergangenen Jahr haben die EU und der Internationale Währungsfonds allein Griechenland Hilfskredite von 110 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Das Land sitzt auf einem Schuldenberg von 340 Mrd. Euro.

„Wir sind im dritten Kapitel der Griechenland-Story angelangt“, sagt Sinn. Erstens: exzessive Kapitalströme. Zweitens: die heimliche Finanzierung der GIPS-Länder (Griechenland, Italien, Portugal, Spanien) durch EZB-Kredite, drittens: die offiziellen Rettungsaktionen. „Die Lage spitzt sich zu.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2011)

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