Weitere 60 Milliarden Euro für Athen?

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Nach historischen Erfahrungen des Internationalen Währungsfonds ist Griechenland ohne fremde Hilfe zahlungsunfähig. Darum wird bis Juni um eine Erweiterung der Hilfskredite gerungen.

Brüssel/Wien. Notenbanker, Finanzminister und Eurokraten kommen aus dem Dementieren und Verbreiten bewusster Falschmeldungen nicht heraus, doch eine Tatsache können sie nicht leugnen: Ohne zusätzliche fremde Hilfe ist Griechenland pleite.

Am Dienstag berichtete die Nachrichtenagentur Dow Jones unter Berufung auf einen anonymen Funktionär der griechischen Regierung, dass im Juni eine Aufstockung des 110-Milliarden-Euro-Kredites durch den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die anderen Euroländer um bis zu 60 Milliarden Euro beschlossen werden soll. Am kommenden Montag werden die EU-Finanzminister in Brüssel darüber reden.

Die Zahl von 60Milliarden Euro entspricht dem Geld, das die Athener Regierung in den Jahren 2012 und 2013 auf den Finanzmärkten als neuen Kredit aufnehmen muss, um ihre Ausgaben zu bestreiten. Ursprünglich hat man gehofft, dass das EU-IWF-Paket die Investoren beruhigen werde, sodass Griechenland schon 2012 wieder Anleihen zu überschaubaren Zinssätzen werde begeben können. Diese Hoffnung hat sich aber als trügerisch erwiesen.

Der griechische Regierungsfunktionär erklärte, dass bei dem geheimen Treffen einiger EU-Finanzminister und Eurokraten am vergangenen Freitag in Luxemburg diskutiert wurde, den neuen Kredit an Griechenland aus dem Euro-Rettungsschirm EFSF zu bezahlen. Dieser Fonds, der gegen Haftungen der Euroländer Anleihen begibt, finanziert bereits die 80-Milliarden-Euro-Hilfe für Irland und soll den 78-Milliarden-Euro-Kredit an Portugal bereitstellen. Als Pfand würde Griechenland dem EFSF staatliche Grundstücke anbieten.

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Faymann sieht keine Krise

Neues Geld für die Griechen: Das kann keine Regierung in der Eurozone ihren Bürgern leicht verständlich machen. Denn Angela Merkel in Berlin teilt mit Werner Faymann in Wien die Sorge, dass damit der Druck von Athen genommen würde, ihren Teil zur Sanierung der maroden Staatsfinanzen beizutragen, sprich: die Ausgaben einzuschränken und neue Einnahmen zu lukrieren.

Allerdings zeigt ein Blick auf ein IWF-Papier vom 29.September vergangenen Jahres, dass die Staatspleite Griechenlands faktisch unausweichlich ist. In seinem „Global Financial Stability Report“ weist der Fonds darauf hin, dass in den Jahren 1975 bis 2009 alle zwölf Staaten, die zahlungsunfähig wurden, zuvor mindestens ein Jahr lang von den Kreditratingagenturen als nicht investitionswürdig eingestuft wurden. Genau das trifft auch auf Griechenland zu, dessen Staatsanleihen unter anderem von Standard&Poor's seit mehr als zwölf Monaten als „Schrott“ bewertet werden (und am Montag eine weitere Stufe herabgestuft wurden). Ungeachtet dessen ist Bundeskanzler Faymann der Meinung, dass die Eurozone derzeit in keiner Krise ist. „Ich nenne es nicht Krise. Ich nenne es Aufgaben, die Europa hat“, sagte Faymann am Dienstag nach dem Ministerrat in Wien.

Von Spekulationen über einen „Hair Cut“ – also das Abschreiben eines Teils der Forderungen privater Investoren gegenüber Griechenland – oder „noch weiter hergeholten“ Varianten sei man jedenfalls „weit entfernt“, sagte er.

Auch die neue Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) verwehrte sich gegen eine Umstrukturierung und frische Hilfen. Allenfalls eine Fristerstreckung zur Rückzahlung des bisherigen Kredits sei denkbar.

In der Tat hätte eine Umstrukturierung der griechischen Staatsschuld weitreichende Auswirkungen für alle Länder in der Eurozone. Laut dem aktuellsten Bericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich hatten per Ende 2010 deutsche Banken griechische Forderungen im Ausmaß von rund 34 Milliarden Dollar in ihren Büchern. Frankreichs Banken steckten sogar mit rund 53 Milliarden Dollar in der griechischen Malaise. Sprich: Was mit Athens Schulden passiert, zieht Kreise bis nach Berlin und Paris. Die deutsche Kanzlerin Merkel war folglich am Dienstag in Berlin im Gespräch mit internationalen Journalisten darauf bedacht, keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Zuerst müsse man sich ansehen, wie Griechenland seine bisherigen Reformverpflichtungen eingehalten habe.

Die EZB steckt mittendrin

Und auch die Europäische Zentralbank (EZB) steckt knietief im griechischen Schuldensumpf. Die „Financial Times“ zitierte einen Bericht der US-Bank JPMorgan, wonach die EZB bei jedem Hair Cut, der mehr als 30 Prozent des Nennwerts der griechischen Schulden beträfe, Verluste erleiden würde. Die EZB hält rund 20 Prozent der gesamten griechischen Staatsschuld und ist hinter den griechischen Privatbanken der zweitgrößte Gläubiger Athens.

Insofern ist es logisch, dass am Dienstag fünf EZB-Führungsmitglieder zu öffentlichen Stellungnahmen ausrückten, um vor einer Umstrukturierung zu warnen. „Ein Zahlungsausfall oder eine Restrukturierung wäre ein Desaster für alle im Land“, sagte Lorenzo Bini Smaghi laut der Nachrichtenagentur Reuters bei einer Rede in Florenz. „Ich würde es politischen Selbstmord nennen – der viele in die Armut führt, wie die Erfahrung gezeigt hat.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.05.2011)

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