Unbezahlte Rechnungen höher als EU-Rettungspaket

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Symbolbild(c) Bilderbox / Erwin Wodicka (Erwin Wodicka)
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Europäische Unternehmen fielen im vergangenen Jahr um 312 Milliarden Euro um. In Österreich blieben Rechnungen in Höhe von 6,5 Milliarden Euro unbezahlt. Der langsamste Zahler ist weiterhin die öffentliche Hand.

Wien/Red. Der EU bleibt nicht viel anderes übrig, als die Rechnung für das schlechte Wirtschaften in Griechenland, Irland und Portugal zu bezahlen. Die Privatwirtschaft macht es sich einfacher und ignoriert einfach Forderungen, und das nicht zu gering: 312 Milliarden Euro mussten europäische Unternehmen 2010 abschreiben. Das ist mehr, als man zur Rettung Griechenlands, Portugals und Irlands aufwendet (273 Mrd. Euro).

„Die Auswirkungen der Finanzkrise sind beim Forderungsmanagement nach wie vor zu spüren“, erklärte Thomas Hutter, Direktor für Zentraleuropa bei Intrum Justitia, einem Kreditmanagement-Unternehmen, das die Zahlungsumfrage unter 6000Firmen in 25europäischen Ländern durchführte. „Eine bessere Zahlungsmoral könnte der Wirtschaft in Europa deutlichen Auftrieb verleihen.“

Allein in Österreich fielen Unternehmen um 6,5 Milliarden Euro um. Das sind zwar nur 2,3 Prozent aller Forderungen, die Zahl liegt aber um 15Prozent über den Ausfällen des Jahres 2009 (zwei Prozent). „Bei Exporten sollten die österreichischen Firmen weiter vorsichtig vorgehen. Denn in vielen Ländern sind die Abschreibungen aus unbezahlten Forderungen um mehr als zehn Prozent gestiegen – vor allem in Griechenland, aber auch in Großbritannien“, so Hutter.

Britische Zahlungsmoral sinkt

Positiv entwickelt haben sich Deutschland, die Schweiz, Litauen und Island. Die Zahlungsmoral ist in diesen Staaten gestiegen. In Deutschland blieben 2,4 Prozent aller Forderungen unbeglichen. 2009 waren es noch 2,6 Prozent.

In Großbritannien nahmen die Ausfälle stark zu: Sie stiegen von 2,4Prozent im Jahr 2009 auf 3,2Prozent – eine Zunahme um ein Drittel.

Die Zahlungsmoral in Europa hat sich insgesamt verschlechtert: „Der Trend geht auch in der Erholungsphase dahin, Rechnungen so spät wie möglich zu bezahlen, um Liquidität möglichst lange im Unternehmen zu halten“, heißt es bei Intrum Justitia.

Im europäischen Schnitt dauert es 56 Tage, bis Unternehmen Rechnungen begleichen. Die Unternehmen führen das hauptsächlich auf finanzielle Schwierigkeiten der Geschäftspartner oder absichtlich verspätete Zahlungen zurück.

Am meisten Zeit beim Bezahlen lässt sich die öffentliche Hand: 65 Tage dauert es, bevor Rechnungen beglichen werden. Zwei Tage länger, als noch im Jahr 2009.

Dagegen sind die Verbraucher vergleichsweise schnell: Sie begleichen Rechnungen nach durchschnittlich 40 Tagen.

In Österreich lassen sich Bund, Länder und Gemeinden 49 Tage Zeit, bevor sie das Geld überweisen. Verbraucher bezahlen nach 28 Tagen.

Existenzgefährdende Spätzahler

Verzögerte Zahlungseingänge machen vielen Unternehmen zu schaffen: 28Prozent aller Firmen in Europa betrachten sie als Bedrohung für ihre Existenz, nach Ansicht von 45Prozent verhindern sie Wachstum.

In Österreich hat man sich offenbar an die Spätzahler gewöhnt: Nur 18Prozent sehen verspätete Zahlungseingänge als existenzgefährdend an, etwa jedes vierte Unternehmen (26 Prozent) sieht dadurch das Wachstum gefährdet.

An Vorgaben Brüssels hält sich jedenfalls niemand: Laut einer EU-Richtlinie haben Unternehmen nämlich maximal 30 Tage Zeit, um eine Rechnung zu bezahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.05.2011)

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