Rückblick: Politik hofft und bangt, die Wirtschaft warnt

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Vor nicht ganz 13 Monaten hat sich die Europäische Union auf die milliardenschwere Hilfe für das angeschlagene EU-Mitglied Griechenland geeinigt. Manch ein Ökonom hielt die Pleite damals für unausweichlich.

Wien. Vor einem Jahr waren die Vorgaben noch klar: Die Griechen müssen ihre Aufgaben „auf Punkt und Beistrich erfüllen“, erklärte der damalige Finanzminister Josef Pröll (ÖVP). Die Zusage der Hilfe sei „kein Freibrief und kein Freifahrtschein“. Die deutlichen Worte vom 2. Mai 2010 sind heute ebenso Geschichte wie Josef Pröll.

Als sich die EU in der Nacht auf den 10. Mai des vergangenen Jahres auf das 110-Milliarden-Euro-Hilfspaket für Griechenland einigte, begleitete man diese Hilfsmaßnahme mit strengen Auflagen. Das nicht zuletzt deshalb, um den offenen Bruch des Stabilitätspakts, der den Euromitgliedern Rettungsaktionen für angeschlagene Partnerländer dezidiert untersagte, der Öffentlichkeit in den Geberländern irgendwie zu „verkaufen“.

So musste sich Griechenland zu einem drakonischen Sparprogramm verpflichten, um bis 2014 die Defizitgrenze von drei Prozent zu erfüllen. Finanzminister Giorgos Papakonstantinou versprach, zusätzlich das Staatsdefizit über drei Jahre um weitere 30 Milliarden Euro abzubauen.

EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zeigte sich jedenfalls zuversichtlich: „Die mit Athen ausgehandelten Sparmaßnahmen sind solide und glaubwürdig.“ Selbst die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, die sich lange – wohl auch wegen bevorstehender Landtagswahlen – gegen Hilfe für Griechenland gewehrt hatte, meinte, das Sparpaket sei ein wichtiger Beitrag des Landes, mit dem es seine Schulden in den Griff bekommen könne.

Nicht alle sahen das Rettungspaket positiv. Der Präsident der Deutschen Bundesbank, Axel Weber, betonte, dass Finanzspritzen für ein Euromitglied „höchst problematisch“ seien. Aber: „Ein Zahlungsausfall Griechenlands würde in der gegenwärtigen, sehr fragilen Lage ein erhebliches Risiko für die Stabilität der Währungsunion und des Finanzsystems darstellen.“

Deutsche Bank-Chef als „Prophet“

Andere blieben grundsätzlich skeptisch: „Wir sind optimistisch, dass der IWF zusammen mit den Europäern Griechenland dazu bringt, dass alle Schulden zurückgezahlt werden“, meinte Bernhard Felderer, Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), und fügte hinzu: „Garantieren kann das heute aber niemand.“ Der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann, hatte im Mai 2010 schon eine klare Vorstellung, wie es nach der Griechenland-Hilfe weitergehen werde: „Das Land wird seine Schulden nicht planmäßig zurückzahlen können.“ Man müsse womöglich doch „über Umschuldungen nachdenken“.

Für den Euro sieht es schlecht aus

Was auch immer man unternehme, es werde wenig nützen, meinte der Harvard-Ökonom Niall Ferguson in einem Interview mit dem „Handelsblatt” vor 13 Monaten: „Griechenland wird irgendwann Pleite gehen. Portugal und Spanien könnten sich anstecken. Europa kann nicht alle diese Staaten retten.“ Fergusons Schlussfolgerung: „Es sieht düster für den Euro aus.“ Der werde über kurz oder lang schwächer werden.

Sein Kollege Nouriel Roubini war weniger treffsicher. Er sah damals einen fallenden Eurokurs, aber auch die Gefahr einer Deflation: In den entwickelten Staaten sei das Risiko einer Deflation in den kommenden zwei, drei Jahren größer als das einer Inflation, sagte der Ökonom Mitte 2010. Die Geldmenge sei stark gewachsen, komme aber nicht in der Wirtschaft an. Womit er klar daneben lag, wie die Inflationszahlen zeigen.

Roubini forderte im Mai 2010, dass Griechenland alles tun müsse, um seine Verschuldung zu reduzieren. Länder wie Griechenland oder Portugal seien nur die Spitze des Eisberges. Alle Industrieländer müssten ihre Verschuldung stark verringern, mahnte Roubini.

Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou versprach damals in Athen „große Opfer“ der Bevölkerung. Dass die offenbar nicht ausreichten, wie der Prüfbericht zeigte, könnte in einer dramatischen Situation enden, zumindest wenn umgesetzt wird, was Angela Merkel vor einem Jahr in der „BildamSonntag“ ankündigte: „In letzter Konsequenz muss es künftig möglich sein, einem Land, das seine Verpflichtungen nicht einhält, zumindest vorübergehend das Stimmrecht (in der Union, Anm.) zu nehmen. Deutschland hält das für unerlässlich.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2011)

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