ÖIAG soll Griechen bei Privatisierung helfen

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Dem hoch verschuldeten Land droht die erste Pleite in der Eurozone, warnt der deutsche Finanzminister Schäuble. Athen braucht dringend Know-how beim Verkauf von Staatsfirmen.

Wien/Athen. Bis zu 50 Mrd. Euro soll der Verkauf von Staatsfirmen in die leeren Budgettöpfe Griechenlands spülen. Noch ist nicht einmal der Startschuss gefallen, obwohl die Zeit drängt. Schon als das 110 Mrd. Euro schwere Hilfspaket beschlossen wurde, waren weitreichende Privatisierungen als Kern des griechischen Beitrags zur Budgetsanierung gefordert. Bisher ist allerdings wenig geschehen – offenbar auch, weil dem Land die Expertise fehlt. Diese könnte Österreich liefern. „Griechenland hat bereits bei der ÖIAG angefragt, ob wir unser Know-how zur Verfügung stellen“, sagt der scheidende Chef der Staatsholding, Peter Michaelis, zur „Presse“.

Auch andere Länder fragten an

Wie eine mögliche Zusammenarbeit aussehen könnte? Für Details sei es noch zu früh, aber so viel sei klar, dass es um eine Beratertätigkeit gehe. „Wir prüfen derzeit allfällige Möglichkeiten.“ Ob Michaelis, der nach zehn Jahren als ÖIAG-Chef in Pension geht, seine – durchaus wechselvollen Erfahrungen – auch selbst den Griechen zur Verfügung stellen werde, lässt er offen.

Michaelis überrascht die Anfrage aus Athen jedenfalls nicht. Schon in der Vergangenheit hätten einige Länder die ÖIAG um „Amtshilfe“ für ihre Privatisierungsprogramme gebeten. Der ÖIAG-Chef nennt die Türkei und Slowenien, aber auch China und Südkorea. „Wir haben ein enormes Wissen beim Verkauf von Staatsunternehmen gewonnen – und auch schwierige Fälle wie den Verkauf der AUA letztlich gemeistert“, sagt Michaelis. Seit 2010 habe die ÖIAG rund drei Mrd. Euro Privatisierungserlöse erzielt und damit die Schulden abgebaut. Gleichzeitig seien an den Staat Dividenden von in Summe 2,035 Mrd. Euro ausgeschüttet worden.

Was die Arbeit in und für Griechenland besonders schwierig macht: Abgesehen davon, dass man Sprache und Schrift beherrschen sollte, braucht man ein Netzwerk. Denn ohne Kontakte geht gar nichts. Man müsste daher erst Strukturen schaffen. Michaelis hält das griechische Programm für ehrgeizig, aber machbar.

Athen kündigte schon die Gründung einer von der Regierung unabhängigen Privatisierungsagentur an. Damit würde das von der Pleite bedrohte Land die Forderung der Geldgeber erfüllen. In Deutschland wird das Modell der ehemaligen Treuhandanstalt, die den Verkauf des DDR-Vermögens verwaltet hat, ins Spiel gebracht. Damit der Staat schnell an Geld kommt, könnten zuerst Wertpapiere der Privatisierungsobjekte angeboten werden. Nach dem tatsächlichen Verkauf würden die Anleger ihr Geld mit Zinsen zurückerhalten.

Zur Disposition stellt Athen weitere Teile am Telekomkonzern OTE. Die Deutsche Telekom, die bereits 30 Prozent hält, hat allerdings ein Vorkaufsrecht. Außerdem sollen Post, Postbank, die Landwirtschaftsbank ATE, die Stromfirma PPC, Flughäfen und Häfen unter den Hammer kommen. Verkrustete Vorschriften wie ein umfassender Kündigungsschutz und die Korruption seien die größten Hindernisse, sagen Experten.

Schäuble warnt vor Staatspleite

Wie prekär die Lage ist, machte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) deutlich: Ohne weitere Hilfszahlungen drohe „die erste ungeordnete Zahlungsunfähigkeit in der Eurozone“, schrieb er in einem Brief an seine EU-Amtskollegen, die Europäische Zentralbank (EZB) und den Internationalen Währungsfonds (IWF). Erstmals sprach er sich darin offen für eine Umschuldung Griechenlands unter privater Beteiligung aus. Dabei sollen Investoren alle Anleihen, die sie halten, in neue Papiere mit einer längeren Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Dieser Zeitraum würde dem Land mehr Zeit für notwendige Reformen geben, womit es Vertrauen an den Märkten zurückgewinnen könne.

Schäuble, der von Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt wird, warb für eine substanzielle Ausweitung der Hilfen, auch unter Beteiligung des IWF, und einen schnellen Beschluss. Über das Volumen eines solchen Pakets äußerte er sich nicht näher.

Österreich wartet auf den IWF

Mit seiner Forderung nach Beteiligung der privaten Gläubiger bewegt sich Schäuble auf einen Konflikt mit der EZB zu. Deren Chef, Jean-Claude Trichet, sagte zuletzt in Montreal, dass er eine Umschuldung Griechenlands für „nicht angebracht“ halte. Dennoch signalisierte er erstmals seit Wochen, dass die EZB nicht grundsätzlich gegen eine Beteiligung privater Gläubiger sei. Bereits in den Verhandlungen zum ersten Hilfspaket seien die Banken in Europa aufgefordert worden, griechische Schulden weiter zu behalten. Dies betrachte er weiter als „angemessen“.

Ein Knackpunkt dürfte die Frage sein, ob durch den von Schäuble vorgeschlagenen Zahlungsaufschub eine „technische Insolvenz“ ausgelöst wird – sprich: ob die Versicherungen gegen einen Ausfall der griechischen Anleihen schlagend würden. Noch scheint es, als würden die Ratingagenturen einen solchen Aufschub als „Kreditereignis“ und damit als Zahlungsausfall einstufen. Aus dem österreichischen Finanzministerium hieß es am Mittwoch lediglich, man werde die Entscheidung über den Vorschlag Schäubles an die Zustimmung des IWF knüpfen.

Auf einen Blick

Die ÖIAG soll dem hoch verschuldeten Griechenland bei der dringend erforderlichen Privatisierung von Staatsfirmen helfen. Athen hat bei der Staatsholding schon angefragt. Diese prüft eine Beratertätigkeit.

Griechenland droht als erstem Euroland die Pleite, warnt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Deshalb drängt er auf einen raschen Beschluss des zweiten Hilfspakets. Dabei sollen Banken und Versicherungen mitzahlen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2011)

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