Banken flüchten aus Griechenland-Anleihen

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Die deutschen Geldinstitute haben ein Drittel ihrer griechischen Staatspapiere verkauft. Damit verstoßen sie gegen eine Abmachung mit Finanzminister Schäuble. Ein zweites Hilfspaket scheint unausweichlich.

Berlin/Frankfurt/Weber/Ag. Deutsche Banken und Versicherungen haben sich seit April 2010 von fast einem Drittel ihrer griechischen Anleihen getrennt. Dies mag auf den ersten Blick nicht weiter erstaunen. Jedoch verstoßen die Institute damit gegen eine Abmachung mit dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble, dem sie zugesichert hatten, die Papiere nicht auf den Markt zu werfen. So sollte der Preis für die Anleihen stabil gehalten werden.

Einen Monat bevor das erste Hilfspaket geschnürt wurde, war das Engagement der deutschen Banken noch 16 Mrd. Euro schwer. Bis Februar 2011 reduzierten es die Institute auf rund 10 Mrd. Euro, schreibt die „Financial Times Deutschland“ unter Berufung auf die Deutsche Bundesbank. Die Versicherungen stießen im selben Zeitraum über die Hälfte ihrer griechischen Staatspapiere ab.

Insgesamt haben die europäischen Banken ihren Bestand an griechischen Anleihen im Verlauf des vergangenen Jahres um mehr als ein Drittel reduziert, darunter auch die österreichischen Institute. Die Erste Group besitze zurzeit griechische Anleihen im Wert von 550 Mio. Euro, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Vor einem Jahr waren es noch 700 Mio. Euro.

Dass sich die deutschen Geldhäuser nicht an ihre Abmachung mit Schäuble gehalten haben, dürfte etwaige Zusagen im Rahmen eines zweiten Rettungspakets in einem neuen Licht erscheinen lassen. Andererseits sei es angesichts einer möglichen Umschuldung Kunden und Aktionären gegenüber geradezu unverantwortlich, die Papiere weiter zu halten, sagen Branchenkenner.

Griechen brauchen 90 Mrd. Euro

Diese Woche war allerdings ein Plan des deutschen Finanzministers bekannt geworden, in dem er sich auch für eine Beteiligung privater Gläubiger an einem neuen Hilfspaket ausspricht. Dafür wird der Spielraum nun immer kleiner. Man müsse sich fragen, ob die Banken bei einem Zahlungsaufschub für Griechenland überhaupt noch ausreichend beteiligt würden, meint etwa der Präsident der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann. Nach Anleihekäufen durch die EZB und diversen Hilfskrediten sei die öffentliche Hand mittlerweile der größte Geldgeber Griechenlands.

Ein zweites Hilfspaket für das klamme Euroland scheint derweil unausweichlich. Am Mittwochabend veröffentlichte die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EZB und der EU-Kommission ihren Bericht zur Lage des Landes. Fazit: Griechenland braucht weitere 90 Milliarden Euro, wenn es vor einer Pleite bewahrt werden soll. Eine Rückkehr an die Finanzmärkte im Jahr 2012, wie ursprünglich vorgesehen, sei „äußerst unwahrscheinlich“. Jeweils ein Drittel soll dabei von Privatisierungen, neuen Hilfskrediten und privaten Gläubigern kommen.

In der Zwischenzeit gerät die Wirtschaft des Landes weiter ins Hintertreffen. Wie das Statistikamt in Athen am Donnerstag bekannt gab, wuchs das hellenische Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2011 um nur 0,2 Prozent. Erste Schätzungen waren noch von 0,8 Prozent ausgegangen. Auch aus Sicht der Troika scheint die Rezession „etwas tiefer und länger auszufallen als anfangs angenommen“, heißt es in dem Bericht.

Österreichs Finanzministerin Maria Fekter sagte in einem Interview mit dem Magazin „Format“, ein Schuldenerlass sei dem Steuerzahler nicht zuzumuten und käme nicht infrage. Sie werde entschlossen dafür kämpfen, dass die Griechen ihre Schulden tilgen.

Im Lichte der drohenden Staatspleite setzten die Risikoaufschläge von Griechenland-Anleihen am Donnerstag ihren Höhenflug fort. Anleihen mit einer Laufzeit von zwei Jahren rentieren jetzt mit 23 Prozent.

Auf einen Blick

Die europäischen Banken haben ein Drittel ihrer griechischen Staatsanleihen verkauft. Der größte Geldgeber ist mittlerweile die öffentliche Hand. Ein zweites Hilfspaket scheint für IWF, EZB und die EU-Kommission unausweichlich, denn die Wirtschaft stagniert und die Refinanzierungskosten an den Märkten sind weiter auf Höhenflug.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.06.2011)

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