Österreich: Wer hat an dem griechischen Drama Schuld?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Politische Landschaft ist sich höchst uneins, wenn es um die Rettung Griechenlands geht. Bei den Regierungsparteien herrscht aber demonstrative Einigkeit darüber, dass ein EU-Austritt nicht zur Debatte steht.

Wien. Auch in einer ernsten Situation ist Christoph Matznetter um einen kleinen Wortwitz nicht verlegen. Standard & Poor's lege „poor standards“ an den Tag, wenn es um die Bewertung Griechenlands gehe, sagte der SPÖ-Wirtschaftssprecher am Dienstag. Die Ratingagentur hatte zuvor Anleihen des EU-Sorgenkinds auf „Ramsch“ herabgestuft. Zu Unrecht, meint Matznetter: „Die Agenturen sind einfach nicht unabhängig“, sagt der Sozialdemokrat.

So wie die SPÖ haben in den vergangenen Tagen alle nennenswerten politischen Parteien Österreichs ihre Meinung zu dem finanzpolitischen Drama rund um Griechenland abgegeben. Die verschiedenen Standpunkte sind insofern relevant, als die Parlamente aller Euroländer den Hilfspaketen zustimmen müssen. Jedes Mitglied hat ein Vetorecht und kann seine Teilnahme durchaus verwehren.

Die SPÖ fordert europäische Ratingagentur

Um Griechenland – und den Euro – zu retten, fordern Matznetter und sein Parteikollege, der EU-Abgeordnete Helmut Swoboda, ein Maßnahmenpaket, das unter anderem weitere Hilfen für das südeuropäische Land, eine „Bekämpfung der unintelligenten Märkte“ sowie die Gründung einer europäischen Ratingagentur vorsieht. Diese solle „in der Nähe der EZB angesiedelt“ sein und „Staaten fair und unabhängig bewerten“.

Von den aktuell drei wichtigsten Agenturen sind zwei US-amerikanisch (Standard & Poor's sowie Moody's) und eine de facto europäisch. Fitch hat seine Firmensitze zwar in New York und London. Das Unternehmen ist aber eine Tochter der Finanzfirma Fimalac, die mehrheitlich im Eigentum des französischen Geschäftsmannes Marc Ladreit de Lacharrière steht.

Für die anderen Parteien hat die Gründung einer europäischen Ratingagentur möglicherweise auch deshalb keineswegs oberste Priorität. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will ebenso wie Josef Bucher vom BZÖ vielmehr, dass „kein Cent mehr aus Österreich nach Griechenland fließt“. In ein kaputtes Finanzsystem dürfe man nicht gutes Geld nachwerfen – selbst wenn damit ein Austritt Österreichs aus der Eurozone einherginge, wie die FPÖ meint.

Umschuldung für Regierung kein Thema

Bei den Regierungsparteien wiederum herrscht demonstrative Einigkeit darüber, dass ein EU-Austritt nicht zur Debatte steht. An einer Rettung Griechenlands führe kein Weg vorbei, heißt es aus dem Finanzministerium von Maria Fekter (ÖVP). Ein Zerbrechen der Eurozone hätte für alle beteiligten Länder fatale Folgen. Bleibt die Frage, wie die am wirtschaftlichen Abgrund stehenden Griechen gerettet werden können. Eine Umschuldung, also ein Verzicht der Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen, ist für ÖVP wie auch SPÖ keine Option. „Griechenland sanieren, statt in die Pleite schicken“, fordert Fekter. Und Matznetter glaubt: „Bei einer Umschuldung würden nur die Steuerzahler draufzahlen.“

Tatsächlich befindet sich ein großer Teil griechischer Staatsanleihen im Besitz der Europäischen Zentralbank – genaue Zahlen will das Institut nicht bekannt geben. Für einen Ausfall müssten die Nationalbanken der Mitgliedsländer geradestehen. Allein schon deshalb ist die Forderung nach einer Umschuldung politisch wenig populär. Vielleicht auch deshalb plädieren nur die Grünen offen dafür: Griechenland sei „nicht illiquid, sondern vollkommen insolvent“, sagt Parteichefin Eva Glawischnig.

Koalition bei Privatisierungen uneinig

Eine Möglichkeit, Geld in die leeren griechischen Staatskassen zu spülen, sind Privatisierungen. Das soll rund 50Mrd. Euro bringen. Der IWF hat dies zu einer klaren Bedingung für weitere Hilfszahlungen gemacht – und zwar „möglichst schnell“, also innerhalb von Monaten. Eine Forderung, die Fekter unterstützt, von der die SPÖ am Dienstag aber klar abgewichen ist. Man dürfe „den Staatsbesitz nicht unkontrolliert auf den Markt werfen“, sagte Matznetter.

Vielmehr müsse die EU laut SPÖ Griechenland noch stärker finanziell unterstützen, um „den Patienten nicht totzusparen“. Privatisierungen sollten dann zum „bestmöglichen Zeitpunkt“ über eine Spanne von sieben Jahren erfolgen. Das sei unmöglich, dafür brenne der Hut schon viel zu sehr, heißt es dazu aus dem Finanzministerium.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2011)

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