Kein Staat ist so pleite wie Griechenland

Das Rating für Griechenland hat einen neuen Tiefststand erreicht
Das Rating für Griechenland hat einen neuen Tiefststand erreicht(c) REUTERS (Pascal Rossignol)
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Standard & Poor's hält den griechischen Staat für weltweit am wenigsten kreditwürdig und empfiehlt indirekt einen Schuldenschnitt. Europas Finanzminister verweigern dies aber.

Brüssel. Was auch immer die Finanzminister der Eurozone aushecken, um den Zahlungsausfall Griechenlands abzuwenden: Es dürfte nicht funktionieren.

Denn die verkrampften Versuche der Minister, Druck auf die Gläubigerbanken des griechischen Staats auszuüben, damit die ihre Staatsanleihen behalten, ihre Laufzeit verlängern oder neue kaufen, haben nur einen Effekt: Die Panik auf den Märkten steigt. Denn kein Anleger will den Versprechen der Minister glauben, es ginge nur um eine freiwillige Aktion. „Soft Rescheduling“, „Reprofiling“, „Wiener Initiative“: All diese Begriffe, die von den Politikern und der Europäischen Kommission in den letzten Wochen erfunden wurden, verschleiern nach übereinstimmender Ansicht der drei tonangebenden Kreditratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch nur eines: Die Staaten wollen private Gläubiger Griechenlands dazu zwingen, ihre zusehends wertlosen Schuldscheine zu behalten oder in neue zu tauschen.

Mieser dran als Pakistan

Das würde einem Zahlungsausfall gleichkommen, wie Standard & Poor's am Montagabend in der Begründung seiner Herabstufung Griechenlands in die Ratingkategorie „CCC“ erklärte. CCC: Wer tiefer fällt als in diese Kategorie, dem droht nicht nur der Zahlungsausfall, sondern der ist pleite. Kein Land auf der Welt – weder Weißrussland noch Pakistan – ist heute in den Augen der Ratingfirmen der Pleite so nahe wie Griechenland.

Diese Einschätzung hat gravierende Folgen für die Eurozone. Sie bedeutet nämlich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) von Griechenlands maroden Geschäftsbanken im Gegenzug für die laufende Refinanzierung keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheit annehmen würde. Sprich: Wenn die Finanzminister mit dem mehr oder weniger sanften Druck auf die Investoren Ernst machen, dreht die Notenbank Athen den Geldhahn zu. Und dann krachen die Banken – in Griechenland und wohl in ganz Europa.

Mario Draghi, der designierte neue Präsident der EZB, machte diese Linie am Dienstag bei seiner Anhörung im Europaparlament klar: „Die EZB ist nicht für eine Restrukturierung. Wir rufen zur Vermeidung von Zahlungsausfällen auf, denn die Kosten würden den Nutzen übersteigen.“ Sprich: Die Frankfurter Notenbanker sind gegen jeden Umbau der Schuld – und gegen einen geordneten Schuldenschnitt, also das teilweise Abschreiben des Schuldenbergs, der rund 150 Prozent der Wirtschaftsleistung Hellas' ausmacht.

Das liegt vor allem daran, dass die EZB Partei in diesem Streit ist. Sie hat griechische Staatsanleihen im Ausmaß von rund 40 Milliarden Euro aufgekauft, sagte Ferdinand Fichtner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin zur „Presse“. Dazu kämen noch einmal Anleihen im Wert von rund 90 Milliarden Euro, die von griechischen Banken als Sicherheit bei der EZB hinterlegt sind.

(c) DiePresse

„Schuldenschnitt unvermeidbar“

Fichtner kennt die EZB in- und auswendig, denn er hat bis Februar 2010 für sie gearbeitet. Für ihn ist ein Schuldenschnitt unvermeidbar. „Dafür sind die Schulden ja zu hoch, das kann man sich auf der Rückseite eines Bierdeckels ausrechnen. Die Frage ist nur, wann das passiert. Und es sollte so schnell wie möglich passieren.“

Ausgerechnet das jüngste Rating von Standard & Poor's öffnet ein Türchen, das einen Schuldenschnitt auch für die EZB verkraftbar macht: „Wenn Griechenlands Eurozonen-Partner ein überarbeitetes EU/IWF-Programm vereinbaren, das nicht in einem Zahlungsausfall resultiert, könnte unser CCC-Rating sich stabilisieren, selbst wenn man das Risiko einer Schulden-Restrukturierung in der Form eines ,Haircut‘ im Jahr 2013 in Betracht zieht.“ Also: Ein Schuldenschnitt ist möglich, ohne dass Griechenland in den Augen der Ratingfirmen als vollendet pleite gilt. Fragt sich nur, ob nicht schon bald alle Athener Schrottanleihen in den Büchern der EZB und des Rettungsschirms EFSF sind. „Ich glaube, dass man 2013 einen Schuldenschnitt machen wird. Ich glaube aber nicht, dass dann noch viele private Gläubiger da sind. Die Restrukturierung wird also zum Großteil auf Kosten der öffentlichen Haushalte gehen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2011)

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