Griechische Krise: Beruhigungspillen aus Berlin

(c) EPA (MICHAEL KAPPELER)
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Die deutsche Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Sarkozy versprechen in Deutschland ein zweites Kreditpaket für Athen, verschweigen jedoch, wie sie private Gläubiger daran freiwillig beteiligen sollen.

Brüssel. Die nüchterne Nachricht zuerst: Angela Merkel und Nicolas Sarkozy haben am Freitag gemeinsam in Berlin verkündet, noch vor September ein zweites Paket an Krediten für die griechische Regierung schnüren zu wollen. Die privaten Gläubiger Griechenlands sollen daran auf freiwilliger Basis teilnehmen. Wie das genau geschehen soll, mögen die Finanzminister der 17 Euroländer in Einigkeit mit der Europäischen Zentralbank austüfteln. „Europa und der Euro hängen aufs Engste miteinander zusammen“, sagte Merkel. „Die deutsche Wirtschaftsstärke hängt mit dem starken Euro zusammen.“

Das einzig Neue an dieser dürren Erklärung ist, dass die deutsche Regierung nun offenbar von ihrer bisherigen Haltung abgegangen ist, sanften Druck auf die Gläubiger Griechenlands auszuüben, die Laufzeit ihrer bestehenden, von Tag zu Tag mehr an Wert verlierenden Anleihen um sieben Jahre zu verlängern. Diese Lösung würde nach den Regeln der drei wichtigsten Ratingagenturen Standard & Poor's, Fitch und Moody's ein sogenanntes „Kreditereignis“ darstellen, sprich: den Ratingagenturen keine Wahl lassen, die Kreditwürdigkeit des griechischen Staats noch schlechter als bisher einzuschätzen, nämlich gleichsam einen Zahlungsausfall anzunehmen.

Die sogenannte „Freiwilligkeit“

Wie man Banken, Pensionsfonds und Versicherungskonzerne aber dazu bringt, freiwillig die Laufzeit von Anleihen eines ohne fremde Hilfe bankrotten Staates zu verlängern, ließen die Kanzlerin und der Präsident unbeantwortet. Das seien „technische Fragen“, die nicht von ihnen zu klären seien, sondern „gemeinsam mit der Europäischen Zentralbank ausgearbeitet werden sollen“, sagte Merkel.

Doch genau da beißt sich, bildlich gesprochen, die Katze in den Schwanz: Würden die privaten Investoren ihre griechischen Investitionen von sich aus und freien Willens verlängern, müssten Europas Politiker nicht darüber spekulieren, wie man diese Freiwilligkeit herbeiführen kann. Tatsächlich geschieht aber das Gegenteil: Jeder Anleger, der nicht rein spekulativ denkt, sondern zumindest den Gutteil seines griechischen Investments retten will, verkauft die Bonds. So landen Zug um Zug immer mehr griechische Staatsanleihen bei der Europäischen Zentralbank und dem Euro-Rettungsschirm EFSF. Wie viele private Gläubiger es überhaupt noch gibt, deren Freiwilligkeit man gegebenenfalls herbeizuführen hat, kann niemand genau sagen. Ferdinand Fichtner, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin, meinte dieser Tage gegenüber der „Presse“, grosso modo dürfte noch rund die Hälfte der ausständigen Staatsschuld in privaten Anlegerhänden sein.

81 Prozent Quote für Bankrott

Darum gehen auch Vergleiche mit der „Wiener Initiative“, wie sie Merkel am Freitag erneut anstellte, am wirklichen Problem Athens vorbei. Diese Initiative unter Führung von Erste Bank und Raiffeisen brachte westliche Banken in der Finanzkrise dazu, ihre Positionen in den Märkten Osteuropas zu halten. Damit wurde ein Liquiditätsproblem gelöst. Griechenland ist aber nicht kurzfristig finanziell nicht flüssig. Es ist faktisch pleite. Die Nachrichtenagentur Reuters berechnete auf Basis der Preise für Versicherungen gegen Zahlungsausfälle, dass die Käufer solcher Credit Default Swaps mittlerweile zu 81 Prozent mit einem Zahlungsausfall Griechenlands rechnen – und erwarten, nur 40 Prozent ihres Geldes zurückzubekommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.06.2011)

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