Athen nahm letzte Hürde für 78-Milliarden-Sparpaket

(c) AP (Petros Karadjias)
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Trotz heftiger Proteste der Griechen wurden die harten Einschnitte und weitreichenden Privatisierungen gebilligt. Im Durchschnitt kostet es jeden Bürger an die 2500 Euro in den kommenden vier Jahren.

Athen/Ag. Am Donnerstag setzte das griechische Parlament den Abstimmungsreigen über die Details des 78 Milliarden Euro schweren Sparpakets fort, das Privatisierungen (50 Milliarden Euro) und Steuererhöhungen sowie Sparmaßnahmen (28 Milliarden Euro) umfasst. Nach dem ersten Tag verfügte die Regierungspartei Pasok nur noch über 154 sichere Stimmen. Ein Abtrünniger wurde sogar aus der Partei ausgeschlossen, weil er am Mittwoch gegen das Paket von Regierungschef Giorgos Papandreou gestimmt hatte. Dafür hatte der Premier eine Oppositionelle für sich gewinnen können. Auch am Donnerstag stimmten schließlich 155 Mandatare für, 136 gegen das Paket. Das Votum ist für die elf Millionen Griechen folgenschwer. Im Durchschnitt kostet es jeden Bürger an die 2500 Euro in den kommenden vier Jahren.

Abgestimmt wurden am Donnerstag Gesetze zu fünf Blöcken:

• Eine Privatisierungsagentur wird aufgebaut, die den Verkauf großer Unternehmen regeln soll: Am umstrittensten ist dabei der Verkauf der profitablen Elektrizitätsgesellschaft DEI, an der der griechische Staat noch 51 Prozent hält. Die Mitarbeiter protestieren mit Stromabschaltungen. Fest steht auch, dass weitere zehn Prozent der Telefongesellschaft OTE an die deutsche Telekom verkauft werden, die dafür 400 Millionen Euro auf den Tisch legt. Außerdem stehen die staatliche Eisenbahn Trainose, die Landwirtschaftsbank ATE, das Lotterie- und Wettunternehmen OPAP oder die Häfen von Piräus oder Thessaloniki zum Verkauf.

• Das Parlament beschloss zudem Maßnahmen, die den Verkauf von 75.000 Häusern, Wohnungen und Grundstücken ermöglichen. Dazu zählen kleinere Inseln genauso wie der 2004 geschlossene Athener Flughafen „Hellinikon“ oder das einst vom US-Radiosender „Voice of America“ genutzte Areal in der nordgriechischen Stadt Xanthi.

• Empfindlich sind auch die Steuererhöhungen: So wird der Mehrwertsteuersatz für Bars und Cafés erhöht. Auf Jachten, Pools und Autos gibt es bald Luxussteuern. Bürger mit Einkommen über 8000 Euro müssen (zumindest vier Jahre lang) eine Solidaritätssteuer zwischen ein und fünf Prozent ihres Nettoeinkommens zahlen. Auf Freiberufler kommt eine jährliche Kopfsteuer von 300 bis 500 Euro zu. Außerdem greift der Fiskus auf Tabak, Spirituosen und Heizöl stärker zu.

• Der öffentliche Dienst, der bisher schon ein Fünftel seines Einkommens verloren hat, muss weiter sparen. Das neue Sparprogramm bedeutet eine weitere Einkommensreduktion um rund ein Fünftel. Außerdem müssen bis 2015 rund 150.000 Staatsdiener gehen. Für zehn, die pensioniert werden, besetzt man nur einen nach.
•Das letzte Paket betrifft Regulierungen für den Arbeitsmarkt und Sparmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherungen.

Provokateure der Polizei?

Die gewaltsamen Proteste in Athen haben ein Nachspiel für die Polizei. Im privaten Fernsehen wurden Bilder von umstrittenen Vorgängen veröffentlicht, die vermuten lassen, dass die Polizei mit Provokateuren zusammenarbeitet, um Demonstranten aufzuhetzen. Das Bürgerschutzministerium leitete daraufhin Ermittlungen ein. Bei den Demonstrationen wurden allein am Mittwoch 150 Menschen verletzt. Die Polizei setzte massiv Tränengas ein, Rowdies warfen Steine und Molotowcocktails. Aus Sicherheitsgründen wurden sogar zwei Luxushotels in der Innenstadt evakuiert. Donnerstag beruhigte sich die Lage etwas.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2011)

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