Alle gegen die US-Ratingagenturen

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Für OeNB-Chef Ewald Nowotny sind die US-Prüfer "zu aggressiv". Bundeskanzler Werner Faymann startet eine Initiative für eine EU-Ratingagentur und Michael Spindelegger sekundiert. Was ist dran an der Kritik?

Wien. Die Prüfer der US-Ratingagentur Standard & Poor's machen sich zur Zeit viele Feinde in Europa. Am Montag trübten sie die Hoffnungen der Politiker auf eine Sommerpause im griechischen Schuldendrama: Der französische Plan, dem pleitegefährdeten Land unter Beteiligung privater Gläubiger Luft zu verschaffen, müsse als Zahlungsausfall gewertet werden.

Dem Schrecken folgte rasch die Kritik – und nirgendwo sonst sind die Fronten gegen S&P, Moody's und Fitch so geschlossen wie in Österreich. Die erste Attacke ritt Nationalbankgouverneur Ewald Nowotny. In der ZiB2 vom Montag beklagte das heimische Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Agenturen in dieser europäischen Angelegenheit „sehr viel strikter und aggressiver sind als bei ähnlichen Fällen in Südamerika“. Diesen aufgelegten Elfer verwandelte Werner Faymann (SPÖ) am Morgen darauf. Der Kanzler will eine Initiative für eine europäische Ratingagentur starten. Den Amerikanern fehle das „Einfühlungsvermögen“ und die „Ortskenntnis“. ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger unterstützt die Initiative: Europa dürfe nicht abhängig werden von anderen, die „über uns bestimmen“. Was ist, abseits der politischen Polemik, an den konkreten Vorwürfen dran? Nowotny habe bei seinem Südamerika-Vergleich die Brady Bonds gemeint, präzisierte ein OeNB-Sprecher gegenüber der „Presse“. Sie lösten die Schuldenkrise im Lateinamerika der Achtzigerjahre.

Vergleich mit Südamerika hinkt

Damals tauschten die Gläubigerbanken ihre Kredite gegen neu emittierte Anleihen mit Abschlägen. Diese Bonds musste das Schuldnerland mit US-Staatsanleihen besichern. Das Geld dafür verliehen IWF und Weltbank. Die Ratingagenturen werteten den Tausch als „freiwillig“, was sie beim Nachkauf von griechischen Anleihen zu längeren Laufzeiten anders sehen. Die USA hatten damals eigene Interessen: Die Gläubiger waren vor allem US-Banken.

Dennoch hinkt Nowotnys Vergleich. Denn bei nicht bewerteten Bankkrediten können die Agenturen leichter ein Auge zudrücken als beim Tausch von Anleihen, für die es von ihnen Ratings gibt. Außerdem waren die Brady Bonds für die Gläubiger attraktiver als das heutige „Pariser Modell“, weil ihre Rückzahlung gesichert war. Die Probe, wie die Agenturen zu einer EU-Variante der Latino-Lösung stünden, wurde nicht gemacht. Denn dazu müssten die Eurostaaten die Rückzahlung garantieren, und dagegen sträubt sich die EZB.

Mittlerweile verschulden sich auch südamerikanische Staaten mit Staatsanleihen, und bei jüngeren Umtauschangeboten zeigten sich die mächtigen Bonitätsprüfer ebenso unnachgiebig wie bei Griechenland. Zuletzt erwischte es 2003 Uruguay: S&P und Fitch erkannten das Land als „teilweise zahlungsunfähig“, nur Moody's verzichtete auf ein Default-Rating.

Diese Muster wiederholt sich nun. Das negative Verdikt von S&P hat Analysten nicht überrascht. Nach den hauseigenen Regeln gilt eine Umtauschaktion für einen so schlechten Schuldner wie Griechenland niemals als freiwillig – ein Umstand, den S&P-Vertreter seit Jahresbeginn immer wieder betont haben. Fitch sieht es ähnlich, kommt den Europäern aber mit einer schönen Spitzfindigkeit entgegen: Griechenland werde im Fall des Falles auf „Default“ gesetzt, seine Anleihen aber nicht. Bei der jüngsten, für den Schuldner weniger vorteilhaften Variante des Pariser Modells sah Fitch sogar gute Chancen, das Rating unverändert lassen zu können. So äußerte sich auch Moody's, jene Agentur, die sich bis jetzt nobel zurückgehalten hat – wie schon im Fall Uruguays.

Für EZB gilt das beste Rating

Das macht sich die EZB zunutze: Erst wenn alle drei Agenturen eine Pleite konstatieren, hieß es gestern, wird sie griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheit für Liquiditätshilfen akzeptieren. Auch das ist keine Überraschung, sondern Frankfurter Hausbrauch: Das beste Rating zieht. Ob es freilich de facto zu einem „Kreditereignis“, also einem Zahlungsausfall auf dem Anleihemarkt kommt, entscheiden weder die Agenturen noch die EZB, sondern eine Organisation, die wenige kennen: die International Swaps and Derivates Association. Sie legt fest, ob Kreditausfallsversicherungen schlagend werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2011)

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