Griechen haben schon einmal höhere Zinsen überstanden

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Symbolbild(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Schon Anfang der Neunzigerjahre musste sich die Athener Regierung mit Spreads von fast 18 Prozent refinanzieren. Abwertungen der eigenen Währung halfen damals, um die Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen.

Wien. Knapp 14 Prozentpunkte mehr müsste der griechische Staat heute für neue zehnjährige Anleihen zahlen als Deutschland – wenn nicht EU und IWF mit ihren Hilfsgeldern einspringen würden. Bei einer Staatsverschuldung von mehr als 150 Prozent des BIPs ist das keine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen könnte. Gedankt sei den internationalen Gönnern, die die Griechen dem Druck der verunsicherten Finanzmärkte entziehen.

Die Griechen würden aber keineswegs Neuland betreten: Schon Anfang der Neunzigerjahre musste sich die Athener Regierung mit Zinsaufschlägen von fast 18 Prozent gegenüber deutschen Staatsanleihen refinanzieren. Und der Schuldenstand blieb trotzdem einigermaßen konstant. Gerhard Rünstler, Experte für europäische Wirtschaftspolitik beim Wifo, erklärt die hohen Aufschläge einerseits mit dem allgemein höheren Zinsniveau und andererseits mit dem Währungsrisiko. Zu dieser Zeit hatte Griechenland mit seiner eigenen Währung noch die Möglichkeit, durch eine Abwertung den relativen Preis seiner Exportwaren zu senken, und die Wirtschaft damit wettbewerbsfähiger zu machen.

Abwertungsrisiko eingepreist

Dieses Instrument wurde auch eingesetzt, Investoren preisten daher die möglichen Verluste, die durch Abwertungen entstehen konnten, durch die Zinsaufschläge ein. Griechenland konnte sich mit Abwertungen seiner Währung eines Teiles der realen Zinslast entledigen, erklärt Georg Winckler, Ökonom und Rektor der Universität Wien. Die Zinsdifferenz zwischen deutschen und griechischen Anleihen spiegelte also nicht bloß das Ausfallrisiko wider, wie das heute der Fall ist, sondern zu einem größeren Teil auch die Wechselkursrisken.

Jedoch spürte die Athener Regierung die hohen Zinsen nicht in vollem Ausmaß: Die hohen Werte fanden nur bei neu ausgegebenen Anleihen Anwendung.

Die Belastung war verglichen mit der heutigen dennoch groß: Zwischen 1993 und 1996 musste die Athener Regierung ca. zehn Prozent des BIPs für Zinsen aufwenden. Für heuer und nächstes Jahr schätzt die OECD nur 5,6 Prozent. Nicht zuletzt aufgrund der billigen Kredite von EU und IWF gibt Griechenland heute relativ zum BIP weniger für den Zinsendienst aus als damals. Doch kam den Griechen Anfang der Neunzigerjahre die Geldentwertung zugute: Zwischen 1991 und 1995 stiegen die Preise durchschnittlich um 12,5 Prozent pro Jahr. Damit wurde ein Teil der Schuld weginflationiert, so Wifo-Experte Rünstler.

Importierte Stabilität als Problem

Als Griechenland der Eurozone beigetreten war, war das Land in seiner Flexibilität eingeschränkt. Es konnte weder mit dem Wechselkurs bei der preislichen Wettbewerbsfähigkeit nachgeholfen werden, noch konnte die Geldmenge erhöht werden, um den Wert der Schulden zu senken – mit dem Euro hatte man die Hartwährungspolitik Deutschlands übernommen.

Gleichzeitig lösten die nun auf nahe null gesunkenen Zinsaufschläge einen Investitionsboom aus. Die griechische Wirtschaft konnte die hohe Nachfrage nicht sättigen, weshalb ein großer Teil des Geldes in Importe floss. Der Grundstein für wachsende Leistungsbilanzdefizite und der damit verbundenen steigenden Auslandsverschuldung war damit gelegt, analysiert der Wifo-Ökonom. Selbst in der Niedrigzinsperiode gab es hohe Budgetdefizite bei den griechischen Staatsfinanzen. Als dann die Zinsen in der Krise wieder zu steigen begannen, erreichten die Budgetdefizite Höhen von bis zu 15 Prozent des BIPs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.07.2011)

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