Der Euro-Krisenfonds ESM: 500 Milliarden Euro für die Budgetnöte von morgen

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Ab 2013 hat die Eurozone ein mächtiges Werkzeug. Ein ständiger Geldtopf, der bis zu 500 Milliarden Euro für Krisenfälle bereitstellen kann, wird bereitstehen. Er hat allerdings noch einige Konstruktionsfehler.

Brüssel. „Wir schießen zwar genau, aber das Ziel bewegt sich“, sagte ein europäischer Diplomat am Montag im Gespräch mit Brüsseler Korrespondenten, und es ging dabei nicht um die Nato-Angriffe auf Libyen, sondern um das Treffen der Finanzminister der Euroländer am selben Tag. Noch immer wissen die Minister nicht, wie sie Griechenlands Pleite dauerhaft abwenden. Sie wissen nicht, wie sie die privaten Gläubiger davon überzeugen, weiterhin Geld in die schrumpfende, von gewalttätigen Streiks behinderte Volkswirtschaft zu stecken. Und sie wissen nicht, wie sich ein Übergreifen der Spekulation auf Italien doch noch abwenden lässt.

Aber zumindest eines wissen Maria Fekter und ihre Amtskollegen: Ab Mitte 2013 wird ein ständiger Geldtopf bereitstehen, der bis zu 500 Milliarden Euro für Krisenfälle wie jene Griechenlands, Irlands und Portugals bereitstellen kann. Denn am Montagnachmittag unterzeichneten die Finanzminister feierlich jenen völkerrechtlichen Vertrag, mit dem der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) gegründet wird.

Dauerhafte Lösung für die Zeit nach 2013

ESM: Was ist das eigentlich genau? Die streng juristische Antwort: eine zwischenstaatliche Organisation mit Sitz in Luxemburg. Dort, im trostlos-modernistischen Finanzviertel des Fürstentums, residiert bereits jetzt die Europäische Finanzstabilitätsfazilität, kurz EFSF. Ein unmögliches Wort für eine fast unmögliche Aufgabe: Der EFSF finanziert die laufenden Hilfsprogramme für Irland (80 Milliarden Euro) und Portugal (78 Milliarden Euro), auch das erwartete zweite griechische Paket über voraussichtlich 120 Milliarden Euro wird über die EFSF laufen; der Internationale Währungsfonds zahlt in allen genannten Fällen mit.

Die EFSF war als zeitlich befristete Notlösung der Euroländer gedacht. Schnell zeigte sich aber, dass Euroland dauerhaft mit der drohenden Zahlungsunfähigkeit eines oder mehrerer seiner Mitglieder rechnen wird müssen. Daher wurde der ESM, nach zähen Verhandlungen zwischen Berlin, Brüssel, Frankfurt und Paris, aus der Taufe gehoben.

Was wird der ESM also dürfen? Er wird bis zu 500 Milliarden Euro an Hilfskrediten vergeben können, an Euroländer, die entweder vorübergehend in Zahlungsnot geraten oder dauerhaft pleite sind. 80 Milliarden Euro an direkt eingezahltem Kapital und 620 Milliarden Euro an jederzeit abrufbaren Garantien der Euroländer benötigt der ESM, um diese 500 Milliarden Euro in Form von Anleihen an den Finanzmärkten einzusammeln (Österreich stellt 2,2 Milliarden Euro).

Im ersten Fall, wenn also der betreffende Staat nicht flüssig ist, weil es zum Beispiel eine nationale Bankenkrise gibt und die Geldinstitute einander nicht mehr über den Weg trauen, wird der ESM Überbrückungskredite gewähren und seine privaten Gläubiger dazu animieren, ihr Geld im Land investiert zu lassen, bis die Banken einander wieder vertrauen und das Geld zirkuliert.

Illiquid oder insolvent: Das ist die Frage

Der zweite Fall ist viel haariger, und er legt das zentrale Problem in der Architektur des ESM offen: Wenn ein Staat seine Schulden nicht mehr bezahlen kann, weil er kein Geld mehr hat, soll der ESM ebenfalls als Notkreditgeber einspringen, aber gleichzeitig mit dem betroffenen Staat auf dessen private Gläubiger einwirken, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten.

Bloß: Ob ein Euroland illiquid oder insolvent ist, ist für Politiker eine Frage der Glaubwürdigkeit. Schon jetzt sind sich neutrale Ökonomen einig, dass Griechenland ohne fremde Hilfe pleite wäre und man seine Schulden teilweise abschreiben müsste. Doch die Politiker haben Angst vor einer Kettenreaktion. Darum verwehren sie dem ESM (und der EFSF) vorerst die Fähigkeit, auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen kaufen zu können. Somit kann der ESM derzeit das nicht tun, womit man in den 1980er-Jahren die ähnliche Krise der lateinamerikanischen Staaten und ihrer US-Gläubigerbanken gelöst hat: Er kann Griechenlands Gläubigern nicht anbieten, ihre Schrottpapiere mit Abschlag gegen supersichere ESM- respektive EFSF-Schuldscheine zu tauschen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2011)

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