Euro: "Anti-Ansteckungsprogramm" kommt

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Marathon-Sitzung in Brüssel: Die Finanzminister einigen sich auf eine Umgestaltung des Euro-Rettungsfonds und eine Beteiligung des privaten Sektors am zweiten Griechenland-Hilfspaket. Der Euro fiel auf unter 1,40 Dollar.

Die Euro-Finanzminister haben sich am Montag knapp vor Mitternacht nach stundenlangen Beratungen auf ein "Anti-Ansteckungsprogramm" geeinigt, um eine Ausbreitung der griechischen Schuldenkrise auf Länder wie Italien und Spanien zu verhindern. Der Vorsitzende der Eurozone, Jean-Claude Juncker, betonte, es gehe "einfach darum, alles zu machen, um die Finanzstabilität der Eurozone zu gewährleisten". Deshalb soll der Rettungsfonds für klamme Eurostaaten neue Aufgaben bekommen, erklärten die Minister nach über achtstündigen Marathon-Beratungen in Brüssel.

Die Ressortchefs sicherten außerdem zu, im Schnellverfahren ein neues Hilfspaket für den Schuldensünder Griechenland aufzulegen. "Es wird dabei auch eine Einbeziehung des privaten Sektors geben", erklärte Juncker mit Blick auf Banken und Versicherungen. Diese sollen Milliardenlasten des Pakets mittragen.
Details sind laut Diplomaten immer noch umstritten.

Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) will den bisher eingeschlagenen Pfad im Kampf gegen die Eurokrise "verbreitern und ergänzen". Fekter sagte, es seien bei der Eurogruppe am Vortag verschiedene Beteiligungsmodelle des privaten Sektors diskutiert worden. "Das sind unterschiedliche Modelle, die wir uns hinsichtlich ihrer Wirkung anschauen müssen - vor allem welchen Nutzen sie konkret für die maroden Staaten bringen, aber auch für jene Länder, die diesen Staaten helfen".

Juncker kündigte eine Entscheidung zum neuen Hilfspaket "in Kürze" an. Der neue französische Finanzminister Francois Baroin sagte, es könnte sich dabei um Tage oder einige Wochen handeln. Die Minister versicherten jedenfalls ihre "absolute Bereitschaft, um die finanzielle Stabilität der Eurozone zu sichern".

Die Summe für das neue Rettungspaket steht noch nicht fest. Es wird spekuliert, dass es bis zu 120 Milliarden Euro umfassen wird. Laut Erklärung sollen die Bedingungen für das krisengeschüttelte Griechenland erleichtert werden, damit die Kosten zum Bedienen der Staatsschuld sinken.

IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte dagegen, ihre Institution sei noch nicht bereit, über Bedingungen eines zweiten Hilfspakets zu diskutieren.

Niedrigere Zinsen für Risikoländer

In dem "Anti-Ansteckungsprogramm" sei vor allem eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des herrschenden Euro-Rettungsfonds (EFSF) besprochen worden. Dabei gehe es einerseits um eine Verlängerung der Laufzeiten und andererseits um Zinssenkungen. "Das wird Griechenland entscheidend helfen", so Juncker. Wie diese neue Flexibilität des EFSF konkret aussehen werde, könne er heute aber noch nicht sagen. Die Details müssten noch ausverhandelt werden.

In jedem Fall sollen die Möglichkeiten niedrigerer Zinsen und längerer Laufzeiten jenen Ländern zur Verfügung stehen, die gemeinhin als Bail-Out-Staaten bezeichnet werden, so der Eurogruppen-Chef.

EFSF: Auch Staatsanleihen von Privaten?

EU-Währungskommissar Olli Rehn schloss nicht aus, dass der EFSF-Fonds künftig auch Staatsanleihen von Privatgläubigern kaufen oder Schuldenländern den Rückkauf eigener Anleihen ermöglichen könnte. Bisher ist das nicht möglich. "Wir schließen keine Option aus", sagte der Finne. Die Europäer hatten erst vor einigen Wochen beschlossen, die Garantien für diesen Fonds auf 780 Milliarden Euro auszuweiten. Offen blieb in der Erklärung, ob dieser Betrag weiter steigen könnte.

Am Rande der Gespräch hieß es, im Streit über die Beteiligung der Privatgläubiger gebe es kaum Bewegung. Die beiden Hauptgegenspieler - Deutschland und die EZB - gingen nicht von ihren Positionen ab. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou hatte in einem Brief an Juncker signalisiert, dass die Initiative der Beteiligung privater Gläubiger nichts tauge.

Auf die Situation Italiens angesprochen, das nach Berichten ebenfalls im Schuldenvisier steht, winkte Juncker ab. Darüber sei nicht spezifisch gesprochen worden. Rehn gab jedoch zu: "Wir sind sehr besorgt über die jüngsten Marktentwicklungen." IWF-Chefin Lagarde schlug in die gleiche Kerbe: "Italien hat ganz klar im Moment mit Problemen zu tun, die im wesentlichen von den Märkten befeuert wurden", so die neue IWF-Chefin. Einige der Wirtschaftsdaten des Landes seien nämlich "exzellent".

Heute wird weiterverhandelt

Heute, Dienstag, (ab 9 Uhr) werden sich die EU-Finanzminister vor allem mit einer einheitlichen Linie zu den Ergebnissen der zweiten Runde der Banken-Stresstests befassen.

(Ag.)

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