„Haarschnitt“ für Griechen-Gläubiger

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Nur noch die EZB wehrt sich aus Angst gegen die Auswirkungen gegen einen "Haircut", also einen Teilschuldenerlass für Griechenland. Die EU überlegt konkret eine Lösung nach Lateinamerika-Vorbild.

Brüssel/Wien. Bisher galt es unter europäischen Politikern als undenkbar – doch nach der jüngsten Ausweitung der Schuldenkrise auf Italien reicht es den europäischen Regierungen offenbar: Weil sich gezeigt hat, dass das Hinausschieben einer echten Lösung durch immer neue Hilfspakete zu massiven Spekulationen gegen bisher noch nicht betroffene hoch verschuldete Euroländer einlädt, wird jetzt ernsthaft über einen „Haircut“, also eine teilweise Streichung der griechischen Staatsschulden diskutiert.

Eine Reihe von EU-Spitzenpolitikern, aber auch Topmanagern (wie etwa der Chef der deutschen Commerzbank, Martin Blessing) hat diese Möglichkeit in den vergangenen Tagen angedeutet. Widerstand leistet nur noch die Europäische Zentralbank (EZB), die weiter fürchtet, dass ein Schuldenerlass zu unkalkulierbaren Auswirkungen auf die Finanzmärkte führen könnte.

Diskutiert wird nun darüber, das Schuldenproblem nach Muster des „Brady-Plans“ zu lösen, mit dem die USA in den späten Achtzigerjahren die Schuldenkrise in Lateinamerika in den Griff bekommen haben. Das würde auf einen teilweisen Schuldenerlass hinauslaufen.

Dass darüber ernsthaft geredet wird, bestätigte Österreichs Finanzministerin Maria Fekter am Dienstag nach dem EU-Finanzministerrat in Brüssel: „Obwohl die Minister vor meiner Zeit die Lösungen eines Brady-Plans abgelehnt haben, ist das ein Element, das auch auf dem Tisch ist und das man sich anschauen muss“, sagte die Ministerin.

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Rettungsschirm adaptieren

Mit „Brady-Plan“ meinte Fekter jenes nach dem damaligen US-Finanzminister benannte Modell, im Rahmen dessen die US-Regierung in den 1980er-Jahren den Banken südamerikanische Schrottanleihen gegen massive Abschläge abgekauft, danach einen Teil der Schuld abgeschrieben und somit die lateinamerikanische Staatsschuldenkrise beendet hatte.

Im europäischen Fall würde das bedeuten, dass der EU-Rettungsschirm, die sogenannte Europäische Finanzstabilitätsfazilität, den privaten Gläubigern Griechenlands anbietet, ihre griechischen Bonds zum aktuellen, stark gesunkenen Marktpreis abzukaufen, eventuell mit einem leichten Aufschlag. Der Rettungsschirm würde die griechischen Anleihen mit seinen eigenen, supersicheren Anleihen bezahlen. Für sie haften die Staaten und damit die Steuerzahler der Euroländer. Sobald die EFSF die Athener Ramschanleihen auf dem Markt aufgesammelt hat, könnte sie mit Athen eine Tilgung eines Teils der Staatsschuld von derzeit knapp 160Prozent der Wirtschaftsleistung verhandeln.

Um die EFSF für einen solchen Euro-Brady-Plan zu befähigen, müssten die Finanzminister allerdings ihre Statuten ändern. Denn derzeit darf die EFSF keine Anleihen auf dem Sekundärmarkt kaufen. „Derzeit sind nicht alle Instrumente, die diskutiert werden, unter dem Rechtsrahmen machbar“, sagte Fekter. „Wir wollen, dass geprüft wird, inwieweit die vorgeschlagenen Modelle erfordern, dass man die EFSF ergänzt und ausweitet.“ Mehr Geld soll es aber vorerst nicht geben: „Über eine Aufstockung des Rahmens haben wir nicht diskutiert.“

Auch Deutschland lenkt ein

Auch Deutschland ist nun für diese Lösung einer teilweisen Schuldenstreichung offen. „Die Schuldentragfähigkeit Griechenlands muss verbessert werden“, sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Auf die Frage, ob das die Erlaubnis für die EFSF einschließt, Anleihen auf dem Sekundärmarkt zu kaufen, sagte er: „Wie wirkt welches Instrument? Da können Sie von mir nicht eine klare Aussage verlangen, bevor es nicht geprüft wird.“

Diese Prüfung wird in Windeseile geschehen. Vittorio Grilli, der Generaldirektor des italienischen Finanzministeriums und derzeit Vorsitzender der zuständigen Arbeitsgruppe der Eurozonen-Finanzminister, soll bis Mitte August Optionen prüfen und Vorschläge machen. „Das neue Programm für Griechenland muss irgendwann in der zweiten Augusthälfte entschieden werden“, sagte Schäuble. Es werde kein neues Programm ohne hinreichende Beteiligung des privaten Sektors geben.

Den Vorschlag von Martin Blessing, dem Vorstandschef der Commerzbank, wonach die Banken im Zuge einer Umschuldung Griechenlands auf bis zu 50 Milliarden Euro an Forderungen verzichten würden, nannte Schäuble wörtlich „einen der vielen Vorschläge, die wir begrüßen und auf der Tagesordnung haben“. Die Zeit drängt: Schon am Freitag soll es einen Eurozonen-Gipfel in Brüssel geben, sickerte am Dienstag durch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.07.2011)

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