Inflationssteuer: "25 Jahre negative Realzinsen"

(c) AP (Ronald Zak)
  • Drucken

IV-Chefökonom Christian Helmenstein sieht eine Entschuldung durch Mini-Zinsen und wesentlich höhere Inflationsraten. Die Phase einer solchen „finanziellen Repression“ wäre ein Programm von mindestens 25 Jahren.

Wien. Wie haben Großbritannien und die USA nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Schuldenberge abgebaut? Nicht durch eine schnelle Teilentschuldung („Haircut“), sondern durch negative Realzinsen. Dabei werden die Zinsen für Sparer nach unten gedrückt. Auf diese Weise können sich die betroffenen Staaten günstig Geld leihen. Das erleichtert wiederum die Rückzahlung der hochverzinsten Altschulden. Im Gegensatz dazu wird die Inflation hoch gehalten. Das Resultat ist ein negativer Realzins. Die Zeche zahlen Sparer, Inhaber von Lebensversicherungen und Pensionskassen. Der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein, hält es für wahrscheinlich, dass auch die Eurozone auf diese Weise die jetzigen Probleme löst. Die Phase einer solchen „finanziellen Repression“ wäre seiner Meinung nach kein Programm von zehn, sondern mindestens von 25 Jahren.

Die Sparer zahlen für die Krise

Bereits seit Mitte 2009 sind in Europa die Inflationsraten höher als die Zinsen. Offiziell hat sich zwar die Europäische Zentralbank (EZB) zum Ziel gesetzt, dass die Inflationsrate nicht auf über zwei Prozent steigen darf. „Die Frage ist nur: Wie messen wir Inflation?“, merkt Helmenstein an.

Laut IHS und Wifo wird die Inflationsrate in Österreich heuer auf 3,2 Prozent beziehungsweise 3,0 Prozent steigen. Helmenstein gibt aber zu bedenken, dass die Inflation laut dem sogenannten „Mini-Warenkorb“, also bei den Gütern des täglichen und wöchentlichen Bedarfs, schon jetzt mit 5,6 Prozent deutlich höher liegt. Im Vergleich dazu ist der EZB-Leitzinssatz mit 1,5 Prozent niedrig. Neue Eigen-
kapitalvorschriften zwingen Banken und Versicherungen verstärkt dazu, in sichere Staatsanleihen zu investieren. Doch de facto machen sie damit ein Verlustgeschäft. Die Renditen für zehnjährige deutsche Staatsanleihen liegen nur noch bei 2,7 Prozent. Ein Viertel vom Ertrag holt sich der Staat durch die Kapitalertragssteuer.

Laut Helmenstein handelt es sich bei dieser „finanziellen Repression“ um eine Verteilung der Kosten von Schuldnern zu Gläubigern. Im Klartext zahlen die Gläubiger, also die Sparer und Steuerzahler, für die Krise. „Man kann das auch Inflationssteuer nennen“, kritisiert der Ökonom. Um die Märkte jetzt schnell zu beruhigen, sollte seiner Ansicht nach der Euro-Rettungsschirm auf 1,5 Billionen Euro aufgestockt werden. Denn die bisherigen Hilfspakete hätten sich schon vorweg als zu klein herausgestellt.

Ein klassisches Beispiel für eine „finanzielle Repression“ sind die USA, wo 1945 die Staatsschulden auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts explodiert waren. Zehn Jahre später ist der Wert auf die Hälfte gesunken.

Es gab weder eine Hyperinflation noch einen „Haircut“, sondern der Trick lag bei den negativen Realzinsen. Dies setzt aber die Fähigkeit des Staates voraus, die Zinsen künstlich niedrig zu halten. In Europa müsste dabei die EZB mitspielen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.